Häufig gestellte Fragen
Unter Tierschutz verstehen wir das Ziel, das Leiden der Tiere durch Reformen zu verringern. Tierschutz strebt vor dem Hintergrund unserer gesellschaftlichen Analyse – im Gegensatz zum Tierbefreiungsansatz – keine tiefgreifende Umgestaltung der gegenwärtigen gewaltvollen Verhältnisse an. Da der Tierschutz überwiegend die systematische Ebene ausblendet, beinhaltet er auch meist keine grundsätzliche linke Herrschafts- und Kapitalismuskritik. Im Gegenteil: Viele Tierschutzmaßnahmen stabilisieren die kapitalistische Verwertungslogik. Wir streben jedoch aufgrund der gesellschaftlichen Notwendigkeit einen tiefgreifenden Wandel an. Demnach müssen sich Reformen nicht nur daran messen, wie sehr sie individuelles (Tier-)Leid verringern; sondern auch immer daran, wie sehr sie uns einem antikapitalistischen Ernährungssystem ohne Tierindustrie näherbringen und die gesellschaftlichen Ursachen des erfahrenen Leids aufheben. Im Einzelnen können bestimmte Tierschutzmaßnahmen zu diesem Vorhaben beitragen, auch wenn Tierschutz als Konzept zu kurz greift. Wir heißen auch Menschen aus der Tierschutzbewegung herzlich willkommen, sich mit uns auszutauschen.
Gemeinsam gegen die Tierindustrie ist ein bewegungsübergreifendes Bündnis, in dem auch Tierrechtler*innen, insbesondere aber auch Aktivist*innen aus der linken Tierbefreiungsbewegung mitwirken. Nicht zuletzt war die Tierbefreiungsbewegung auch maßgeblich am Aufbau des Bündnisses beteiligt. Unser Fokus liegt auf konkreten Kämpfen im hier und jetzt und richtet sich gegen die Großkonzerne der Tierindustrie. Dabei setzen wir uns auch gegen die herrschende Ausbeutung und Tötung der Tiere ein. Die gesellschaftlich hervorgebrachte Unterwerfung der Tiere, die Missachtung ihrer Bedürfnisse und Interessen, die massive Einschränkung ihrer Handlungsfreiheit und die gegen sie gerichtete Gewalt sind gesellschaftliche Praktiken, mit denen wir uns als Linke kritisch auseinandersetzen wollen.
Wir, das Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“, sind ein bewegungsübergreifendes, überregionales linkes Bündnis. Gemeinsam fordern wir die Abschaffung der Tierindustrie. Wir möchten die verschiedenen Kämpfe solidarisch bündeln und vernetzen – und dabei respektieren, dass unsere Beweggründe nicht in allen Punkten identisch sind. Gemeinsam ist uns, dass wir Teil linker Kämpfe sind und unseren Kampf daher auch als queerfeministisch, antifaschistisch, antirassistisch und antikapitalistisch verstehen. Dabei versuchen wir auch innerhalb unserer Strukturen, gesellschaftlich wirkende Machtstrukturen zu reflektieren und diese abzubauen.
Als aktivistisches Bündnis führen wir neben Öffentlichkeits- und Strukturarbeit insbesondere auch zivilen Ungehorsam und direkte Aktionen durch.
Auf unserer Website findet ihr unser Selbstverständnis: https://gemeinsam-gegen-die-tierindustrie.org/selbstverstaendnis/
Wir nehmen wahr, dass sich unter Tierschützer*innen und teils auch Tierrechtler*innen leider Menschen befinden, die die industriell betriebene Vernutzung von Tieren mit der systematischen Ausgrenzung, Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung von Millionen Juden_Jüdinnen in der Shoa vergleichen; dass die systematische Tötung von sogenannten „Nutztieren“ mit der Ermordung von Juden_Jüdinnen und anderen verfolgten Personengruppen durch die Nationalsozialist*innen verglichen wird.
Holocaustvergleiche sind für uns inakzeptabel. Denn sie gehen von einem stark vereinfachten Bild der Shoa (Bezeichnung für den Holocaust, der von vielen jüdischen Gruppen bevorzugt wird) aus und führen so zu einer unangemessenen Relativierung der Shoa. Die Gleichsetzung verkennt nicht zuletzt das Wesen, die geschichtliche Einordnung und die hinter der Shoa und der Tiervernutzung stehenden, höchst unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Motive und Ziele. Darüber hinaus kommt es gerade rechten Akteur*innen gelegen, wenn die Einmaligkeit der Shoa der Nazis untergraben wird.
Wir respektieren jüdische Stimmen, die bestimmte Parallelen zwischen der Shoa und der historischen Entwicklung der Tierausbeutung ziehen. Wir als Bündnis verwenden diesen Vergleich jedoch bewusst nicht. Es gibt viele andere Wege, auf das Leiden der Tiere aufmerksam zu machen, anstatt durch gezielte Provokationen Aufmerksamkeit auf Kosten von Betroffenen zu erregen.
Kritische Auseinandersetzungen aus der Tierbefreiungsbewegung mit dem „Holocaust-Vergleich“ oder „KZ-Vergleich“:
https://tierimfokus.ch/interview/sebastian_marcel/
https://www.tierbefreiungsoffensive-saar.de/literatur/susan-witt-stahl/
Wir sehen uns nicht in der Position, Forderungen an Menschen zu richten, deren Überleben von kleinbäuerlicher Tierhaltung abhängt, wie beispielsweise manche indigene Gruppen in Brasilien. Unsere Aktionen richten sich gegen die Verantwortlichen in den mächtigen, profitorientierten Konzernen der Tierindustrie. Dabei konzentrieren wird uns hauptsächlich auf Deutschland. Deutsche Fleisch- und Milchkonzerne tragen gerade dazu bei, dass an vielen Orten auf der Welt Kleinbäuer*innen und Indigene verdrängt, ausgebeutet, teilweise ermordet und lokale Märkte zerstört werden. Wir verstehen unseren Einsatz daher auch als praktische Solidarität mit den Betroffenen der Tierindustrie.
Siehe dazu auch: ‚Was hat die Tierindustrie mit Neokolonialismus zu tun?‘
Wir kämpfen für einen Systemwandel, der den auf eine Gruppe von Menschen begrenzten Reichtum und Wohlstand bzw. soziale Ungleichheit überwindet. Wir wünschen uns ein Ernährungssystem, in dem alle satt werden und Zugang zu gutem und gesundem Essen haben – unabhängig von ihren finanziellen Voraussetzungen. Dazu gehört auch, dass nachhaltige Lebensmittel politisch gefördert werden und Lebensmittel, die für Umwelt und Gesundheit schädlich sind nicht mehr produziert werden. Um das zu schaffen braucht es ein generelles Umdenken zum Konsum von tierischen Produkten.
Uns ist klar das ein Ausstieg aus der Tierindustrie nicht von einem auf den anderen Tag gelingen wird. Deshalb verbünden wir uns in unserem Kampf auch mit Bewegungen, die Reduktionen der Tierzahlen und alternative Landwirtschaftsmodelle fordern und begrüßen Entwicklungen, die zu einem Rückgang der Tierindustrie beitragen. Denn Tierproduktion ist ein zentraler Treiber der gegenwärtigen Krisen – wie der Klimakrise, der Zerstörung von Lebensräumen usw. Zusammen werden sie in den kommenden Jahren die (globale) Ungleichheit verschärfen und Hunger und Armut noch weiter steigern.
Nein. Wir betrachten unser gegenwärtiges System aus einer linken Perspektive und beziehen dabei Leid und Ausbeutung von Tieren genauso ein, wie wir es bei Menschen tun. Neben den individuellen und kollektiven Leiderfahrungen betrachten wir insbesondere die objektiven Strukturen und die Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Dabei schauen wir uns insbesondere die gesellschaftlichen Beziehungen an, welche Menschen gegenwärtig bei der Produktion, bei der Verteilung und beim Verbrauch von tierischen und anderen Produkten miteinander eingehen. Nach unserer Analyse sind diese Beziehungen miteinander verbunden und jeweils nur vor dem Hintergrund der kapitalistischen Verwertungslogik und der Eigentumsverhältnisse zu verstehen. Zudem folgen die verschiedenen Arten von Unterdrückung denselben Logiken der Auf- und Abwertung von Individuen entlang von Kategorien – und lassen sich nicht voneinander trennen, sondern müssen vielmehr gleichzeitig angegangen werden. Die Tierindustrie vereint beispiellos Unterdrückung und Ausbeutung von Menschengruppen und so genannten „Nutztieren“. Deshalb wollen wir sie abschaffen.
Die riesige Anzahl an Tieren, die von Tönnies & Co. geschlachtet und verarbeitet werden, und auch an Tieren, die gezwungen werden, Milch, Eier etc. zu produzieren, kann niemals mit lokalen Futterpflanzen ernährt werden. Für die Fütterung der Schweine, Rinder und Hühner, die in Deutschland geschlachtet werden, werden große Mengen an Futtermitteln wie z.B. Soja importiert, insbesondere aus süd- und mittelamerikanischen Ländern wie z.B. Brasilien. Immer wieder gibt es Hinweise auf illegale Rodungen, um immer mehr Futtermittel für die Tiere in den Mastanlagen Europas zu produzieren. Diese landen dann als Billigfleisch in unseren Supermärkten. Lokale Ökonomien werden zerstört. Indigene Gemeinschaften werden entrechtet und vertrieben. Menschen, die Widerstand dagegen leisten, werden drangsaliert oder ermordet. So profitiert die Tierindustrie von neokolonialen Abhängigkeitsstrukturen.
In erster Linie sehen wir die Arbeiter*innen als Betroffene des Systems Tierindustrie. Oftmals sind Menschen darauf angewiesen, Jobs im Niedriglohnsektor (wie in Schlachthöfen) anzunehmen. Die meisten Schlachthofmitarbeiter*innen machen den Job nur einige Monate aufgrund der prekären Arbeitsbedingungen. Es sollte aus unserer Sicht selbstverständlich sein, sich gegen die Verantwortlichen des Systems zu richten und nicht gegen die Betroffenen. Wenn ihr euch unsicher seid, ob ihr euch solidarisch mit den Arbeiter*innen in der Fleischindustrie zeigen könnt, möchten wir euch Nahe legen, euch mit deren Situation auseinanderzusetzen: https://gemeinsam-gegen-die-tierindustrie.org/arbeitsbedingungen/
Hört auch gerne in unseren Podcast zum Thema Arbeitsbedingungen rein: https://gemeinsam-gegen-die-tierindustrie.org/werkvertraege-und-ausbeutung-arbeitsbedingungen-in-der-tierindustrie/
Wir vertreten die Haltung, dass die industrielle Tierhaltung aufgrund ihrer Verwicklung in zahlreiche gesellschaftliche Krisen im Fokus stehen sollte. Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass hierzulande eine vollwertige und gesunde Ernährung ohne tierische Produkte für die meisten Menschen möglich ist und dieses für Klima und Umwelt, für die Tiere ohnehin, am besten wäre – auch kleinbäuerliche Tierhaltung ist hier nicht auszunehmen.
Einig sind wir uns allerdings, dass wir unseren Protest bewusst auf die Konzerne der deutschen und europäischen Tierindustrie richten und nicht auf die kleinbäuerliche Tierhaltung. Das ist einerseits eine strategische Entscheidung, von der wir uns erhoffen, breitere Bündnisse gegen die Tierindustrie aufstellen zu können. Zudem kommt hinzu, dass kleinbäuerliche Tierhaltung in Deutschland und Europa nur eine sehr kleine Rolle für die gesamte Tierproduktion spielt. Andererseits sehen wir uns nicht in der Position einschätzen oder kritisieren zu können, ob anderswo – insbesondere in einigen Ländern des Globalen Südens bzw. MAPA – der Verzehr von Tierprodukten aktuell notwendig ist.
Wir wollen Fleischkonzerne abschaffen! Über die Frage, wie wir dorthin kommen, führen wir seit unserer Gründung intensive Diskussionen. Aus unserer Sicht ist die Macht der Konzerne eine tragende Säule der Tierindustrie. Wir glauben, dass wir deren Konzernmacht brechen müssen, um die Tierindustrie abzuschaffen. Daher fordern wir deren Vergesellschaftung: Nicht die Eigentümer*innen der Konzerne, sondern wir Konsument*innen und die Menschen, die die Lebensmittel produzieren, sollten darüber entscheiden, was und wie produziert wird – und wie die Produkte sodann verteilt werden. Nur wenn die grundlegenden Lebensbereiche unter gesellschaftliche Kontrolle gestellt werden, können sie auch dem Gemeinwohl dienen. Und eine nachhaltige und gerechte Nahrungsmittelproduktion jenseits des Kapitalismus mit seinem Konkurrenzdenken und seiner Profitorientierung wird möglich.
Tierleid und die Unterdrückung von Tieren sind ohne Zweifel Themen, die unseren Protest antreiben. Aber da unsere Inhalte schon alleine durch das ‚Tierindustrie‘ im Namen unserer Gruppe oft auf das Thema ‚Tierleid’/’Tierrechte‘ reduziert werden, stellen wir andere Themen wie z.B. Klimaauswirkungen und die Arbeitsbedingungen in der Tierindustrie absichtlich mehr heraus. Wir erhoffen uns damit, dass diese überhaupt wahrgenommen werden und deutlich wird, dass die Tierindustrie verschiedenste negative Auswirkungen hat.
Die Landwirtschaft ist sehr vielfältig. Das zeigt sich sowohl im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit einzelner Betriebe, die Art und Weise wie Landwirtschaft betrieben wird, den Grad der Abhängigkeit bzw. Selbstständigkeit der in der Landwirtschaft Tätigen und welche politischen Positionen sie jeweils vertreten. So gibt es auch eine große Bandbreite bei den Berufsverbänden: Allen voran der konservative Bauernverband, aber daneben auch sowohl rechte Organisationen wie die Freien Bauern und progressivere Gruppen wie die junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (jAbL).
Besonders kleinere landwirtschaftliche Betriebe leiden unter dem System Tierindustrie und setzen sich für Veränderung ein; gleichzeitig kommt es auch in kleineren Betrieben zu prekären Beschäftigung oder gar Ausbeutung von Landarbeiter*innen.
Wir versuchen verbindende Themen und Forderung zu identifizieren und darüber mit progressiven Landwirt*innen, Landarbeiter*innen und Berufsverbänden in den Dialog zu kommen – um bestenfalls so auch ins gemeinsame Handeln für eine gerechtere Welt zu kommen. Bei Themen wie z.B. Bodenpolitik oder Konzernmacht ist das einfacher als bei Tierhaltung.