Tierindustrie und Klimagerechtigkeit

Nur wenige der globalen Probleme bedrohen das Leben auf diesem Planeten in seiner Gesamtheit so sehr wie der immer schneller voranschreitende Klimawandel. Der Klimawandel ist dabei nicht nur eine ökologische, sondern gleichzeitig eine soziale Krise, die weltweit Konflikte verschärft. Die Landwirtschaft hat einen erheblichen Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen – und die Tierindustrie ist einer der maßgebliche Treiber der Emissionen!

Der Klimawandel als ökologische und soziale Krise

Der Klimawandel hat ein enormes ökologisches Ausmaß: das Artensterben spitzt sich zu, die Gletscher schwinden rapide und der Meeresspiegel steigt an, Dürreperioden und Wirbelstürme nehmen zu, ganze Landstriche werden unbewohnbar. Millionen von Menschen bekommen die Auswirkungen bereits jetzt am eigenen Leib zu spüren. Damit ist der Klimawandel keine rein ökologische, sondern gleichzeitig auch eine soziale Krise. Mit dem Klimawandel wird die Verschlechterung der Lebensverhältnisse der meisten Bewohner*innen dieses Planeten einhergehen.

Konzerne profitieren auf Kosten aller

Jedoch sind nicht alle gleich betroffen: Gemeinhin sind die besonders Betroffenen die Bewohner*innen der Länder des globalen Südens, die am wenigsten zur Klimaerwärmung beitragen. Währenddessen sind die Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen, die westlichen Industriestaaten, im Besitz der finanziellen Mittel, sich weitgehend vor den Folgen der Krise zu schützen und damit weniger von den Konsequenzen ihres Handelns und ihres Konsums zu spüren zu bekommen.

Was hier den Konzernen und weiteren Akteur*innen Profite bringt, vernichtet an anderen Orten der Erde Lebensgrundlagen, verstärkt die bereits bestehende weltweite Ungleichheit und trägt so entscheidend zu Ursachen von Flucht und strukturell erzwungener Migration bei.

Die Rolle der Landwirtschaft beim Klimawandel

Die Landwirtschaft ist sehr direkt vom Klimawandel betroffen: Dürren und extreme Niederschläge bringen enorme Unwägbarkeiten mit sich, die Erträge nehmen ab und der Druck auf die Bäuer*innen steigt. Gleichzeitig hat die vorherrschende Landwirtschaft auch einen erheblichen Anteil an der Entstehung des Klimawandels, denn auf sie geht ein signifikanter Anteil der globalen Treibhausgasemissionen zurück.

Und nicht nur das, die Landwirtschaft trägt gegenwärtig auch zum Überschreiten weiterer planetarer Grenzen bei: Ressourcen wie die unbebaute Landfläche, die Biodiversität und der Stickstoffkreislauf, die für das globale Ökosystem enorm wichtig sind, werden stark beeinträchtigt. Das führt wiederum dazu, dass es noch schwerer wird, den Folgen des Klimawandels etwas entgegenzusetzen.

Fokus Tierproduktion

Jedoch trägt die Landwirtschaft nicht in jeder Form gleich zum Klimawandel bei. Maßgeblich ist insbesondere die Tierproduktion:

Die bedeutende Klimarelevanz der Tierproduktion ergibt sich vor allem durch die damit einhergehende Landnutzung: etwa 4/5 der globalen landwirtschaftlichen Flächen werden für die Tierproduktion beansprucht.1 Die Schaffung von Flächen zum Anbau von Futtermitteln und von Weideflächen trägt massiv dazu bei, dass Regenwälder gerodet und Sümpfe trockengelegt werden, wodurch enorme Mengen an Treibhausgasen freigesetzt werden und Erosion sowie Wüstenbildung gefördert wird.

„Die Tierproduktion entpuppt sich als einer der zwei oder drei bedeutsamsten Faktoren der gravierendsten Umweltprobleme, auf jeder Ebene, von lokal bis global. […] [Hinsichtlich des Klimawandels] spielt die Tierproduktion eine zentrale Rolle, sie ist verantwortlich für 18 Prozent der Treibhausgasemissionen. Das ist mehr als der Transportsektor […].“ (Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), Livestock‘s Long Shadow, 2006)

Darüber hinaus gehen große Anteile der Treibhausgasemissionen in der Tierproduktion auf die Verdauung des Futters, vor allem durch Wiederkäuer, und die anfallenden Ausscheidungen zurück.

Auch bei der Tierproduktion gilt: nicht jede Produktionsform ist gleich schädlich für das Klima, insbesondere gibt es starke regionale Unterschiede. In der Praxis jedoch werden die allermeisten Tierproduktionsformen in ihrer Klimaverträglichkeit von Pflanzenproduktion übertroffen. Die Hauptursache liegt im hohen Flächenverbrauch der tierischen Produkte: Zur Produktion von einer Kalorie tierischer Nahrung wird 2-30 mal mehr Fläche benötigt als für die selbe Menge pflanzlicher Nahrung (Getreide: 1qm/1Mkal, Rindfleisch: 31,2 qm/1Mkal, Schlatzer2).

Dadurch wird klar, dass eine deutliche Reduktion der Tierproduktion unerlässlich ist, um der drohenden Klimakrise effektiv etwas entgegenzusetzen.

Die Tierindustrie als Treiber der Expansion

Aktuell zeigt der Trend jedoch noch in die andere Richtung: global nimmt die Tierproduktion weiterhin zu. Maßgeblicher Treiber für dieses Wachstum sind die großen Konzerne der Tierindustrie. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die fünf weltweit größten Fleisch- und Molkereikonzerne bereits heute zusammengenommen genauso viele Treibhausgas-Emissionen verursachen wie der größte Ölkonzern.3

Der Klimaschutz von oben ist schon lange gescheitert

Vonseiten der Regierungen und der Konzerne wird behauptet, dass sie an effektiven Gegenmaßnahmen arbeiten und den Klimawandel in den Griff bekommen werden. Zur gleichen Zeit verschieben sie routinemäßig ihre Klimaziele und wollen nichts ändern an der grundlegenden Wirtschafts- und Lebensweise, die uns erst in diesen Schlamassel geführt haben. Die offiziellen internationalen und nationalen Klimaschutzziele entlarven sich immer aufs Neue als Greenwashing für die Konzerne mit ihren umweltzerstörerischen und am Profit orientierten Geschäften. Es ist inzwischen offensichtlich, dass von oben verordneter Klimaschutz nicht funktioniert.

Klimagerechtigkeit

Tatsächliche Klimagerechtigkeit ist nur möglich, wenn die Systemfrage gestellt wird. Denn der Klimawandel ist ein Symptom des vorherrschenden Systems, in welchem zuerst die Profitinteressen der Herrschenden zählen und elementare Interessen der meisten Menschen, Tiere und die Umwelt untergeordnet werden. Klimagerechtigkeit ist in einem kapitalistischen und neokolonialen System nicht möglich – und erfordert ein entschlossenes Einschreiten gegen die Machenschaften der Tierindustrie sowie eine drastische Reduktion der Tierproduktion.

Fußnoten

(1) Fleischatlas 2018, https://www.boell.de/de/fleischatlas-2018-rezepte-fuer-eine-bessere-tierhaltung

(2) Schlatzer (2011): Tierproduktion und Klimawandel. Ein wissenschaftlicher Diskurs zum Einfluss der Ernährung auf Umwelt und Klima,

(3) Grain: Emissions Impossible, https://www.iatp.org/emissions-impossible