Der nächste Skandal: Tönnies bezieht Rindfleisch aus illegal gerodeten Regenwaldflächen

Allen Lippenbekenntnissen zum Trotz: Eine neue Recherche zeigt, Tönnies und gut ein Dutzend weiterer deutscher Unternehmen beziehen tonnenweise Fleisch von Rinderfarmen, die auf illegal gerodeten Regenwaldflächen errichtet werden. Spiegel Online berichtet in einer ausführlichen Reportage.

Demnach wurden allein 2022 insgesamt 190 Tonnen Rindfleisch aus Abholzungsgebieten nach Hamburg geliefert, um über den Tönnies Konzern in Supermarktketten wie Aldi und Lidl vertrieben oder weiter exportiert zu werden. Zudem wurden weitere 470 Tonnen in diesem Jahr nach Italien verschifft, um ein dortiges Tönnies-Werk zu beliefern. Sprecher des größten deutschen Fleischkonzerns streiten die Lieferungen nicht ab, sprechen aber von „Einzelfällen“.

Die Spiegelreportage beruft sich auf eine Studie des Dom and Bruno Projects, einem internationalen Recherchenetzwerk, das nach den am 5. Juni 2022 ermordeten Investigativ-Journalisten Bruno Pereira und Dom Philipps benannt ist. Die Studie zeigt, wie Rindfleisch aus illegal errichteten Rinderfarmen auf den europäischen Markt gelangt. Fleisch aus Farmen, die wegen illegaler Abholzungspraxis sanktioniert wurden, wird über zertifizierte Farmen und Schlachthöfe „reingewaschen“ und ins europäische Ausland exportiert.

Die Abholzung von Regenwäldern für die Errichtung von Rinderfarmen und den Futtermittelanbau steht bereits seit Jahren aufgrund der Vertreibung der indigenen Bevölkerungen und den klimaschädlichen Auswirkungen der Rodungen und der Rinderhaltung in der Kritik.

Die Fleischkonzerne tragen damit eine direkte Verantwortung für diese ausbeuterischen Verhältnisse und die immense Naturzerstörung in Brasilien.


Quellen und weitere Infos:

Spiegel-Online: „Wie Rindfleisch aus abgeholzten Regenwaldflächen in Europa landet“ (Paywall):

Radio Gütersloh: „Rindfleisch-Importe aus geholztem Regenwald – Tönnies offenbar dabei“

Forbidden Stories / The Bruno and Dom Projekt: „The Amazon Cut: How beef linked to deforestation is exported to europe by major companies“ (englisch):

Wikipedia: „Murder of Bruno Pereira and Dom Phillips“ (englisch)

Corona: Viren auf Fleischprodukten nachgewiesen – Chinesische Regierung warnt vor Verzehr von Importen aus Brasilien

Nicht nur in Deutschland haben sich Schlachthöfe als Corona-Hotspots erwiesen, vielmehr wurden bereits seit Beginn der Pandemie immer wieder Ausbrüche auf der ganzen Welt bekannt.

Die Fleischkonzerne wiesen allerorten selbstverständlich die Verantwortung weit von sich. Und gemeinsam mit staatlichen Einrichtungen wurde von Anfang an beschwichtigt, dass ein Konsum der Fleischprodukte trotz Corona-Ausbrüchen unbedenklich sei.

Nachdem jedoch in China wiederholt Corona-Viren auf importierten Fleischprodukten nachgewiesen wurden, hat die chinesische Regierung nun eine Warnung vor Fleisch aus Brasilien ausgesprochen: Konsument*innen sollten vorsichtig sein beim Kauf von importiertem gefrorenem Fleisch sowie Meerestieren.

Hintergrund der aktuellen Warnung sind Virus-Nachweise auf gefrorenem Geflügelfleisch, das aus Brasilien importiert wurde. Brasilien ist hinter den USA das Land mit den zweitmeisten Corona-Infektionen, auch in Fleischbetrieben sind hohe Infektionszahlen bekannt geworden. Es wird davon ausgegangen, dass die Viren durch infizierte Schlachthof-Arbeiter*innen auf die Fleischprodukte gelangen.

Weitere Informationen:

13.08.2020, Spiegel: China findet Coronavirus auf Chickenwings

13.08.2020, Bloomberg: China Says Frozen Chicken Wings from Brazil Test Positive for Virus

Brasilien: Amnesty-Studie belegt Auswirkungen der Fleischindustrie auf indigene Gemeinschaften

Brasilien ist ein Hotspot der Zerstörung von Ökosystemen und des neokolonialen Landraubs. Und immer neue Studien zeigen: ein maßgeblicher Treiber ist die Tierindustrie. Zuletzt berichteten wir darüber, dass ein Fünftel der EU-Sojaimporte in Verbindung mit illegaler Entwaldung in brasilianischen Regenwaldgebieten steht.

Nun hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International eine Studie veröffentlicht, die sehr detailliert nachzeichnet, wie die Fleischindustrie im brasilianischen Amazonas-Regenwald indigene Gemeinschaften verdrängt und aktiv an der Regenwaldabholzung beteiligt ist.

Studie beleuchtet Lieferketten von illegal gehaltenen Rinderherden

Die Studie belegt, dass Fleischkonzerne ihre Lieferketten nicht wie vorgeschrieben auf illegal in Schutzgebieten gehaltene Rinder überprüfen. Und nicht nur das: die Fleischkonzerne schaffen wirtschaftliche Anreize für eben diese illegale Rinderhaltung. Laut Amnesty werden Rindertransporte durch legale Rinderfarmen geschleust, um die Verbindung zur illegalen Haltung zu vertuschen – das Vorgehen ist als „cattle laundering“ bekannt, auf deutsch „Rinderwäsche“ analog zum Begriff Geldwäsche.

Für die indigenen Gemeinschaften und die traditionellen Bewohner*innen der Schutzgebiete bedeuten diese Praktiken Menschenrechtsverletzungen in großem Ausmaß: durch die Ausweitung der Weideflächen wird Regenwald auf ihrem Territorium vernichtet und ihr Land geraubt.

Im Fokus: JBS, der enorm wachsende Weltmarktführer

Brasilien ist weltweit das Land mit den meisten Rindfleischexporten. Im Fokus der Studie steht der Hauptexporteur: der größte Fleischkonzern der Welt JBS. Der Konzern hat seinen Sitz in Brasilien und den USA und ist auf Rind- und Schweinefleisch spezialisiert. Im Jahr 2019 verzeichnete JBS einen Umsatz von 37,4 Mrd. Euro – ein Wachstum um mehr als 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, bei der brasilianischen Konzernsparte ein Wachstum um sogar knapp 16 Prozent. Zum Vergleich: der größte deutsche Fleischkonzern Tönnies kam im Jahr 2019 auf einen Umsatz von 7,3 Mrd. Euro – JBS kommt auf das Fünffache.

Der Staat drückt beide Augen zu

Ermöglicht wird dieses Vorgehen durch die eigentlich zur Einhaltung der Tierhaltungsverbote zuständigen staatlichen Stellen. Denn diese stellen die für den Handel mit den Tieren erforderlichen Dokumente aus, auch wenn es sich um Schutzgebiete handelt. Inzwischen hat sogar die Staatsanwaltschaft im Bundesstaat Pará mitgeteilt, dass es kaum möglich ist, Fleisch aus Amazonasgebieten zu konsumieren, das nicht mit Entwaldung in Verbindung steht.

Weitere Informationen:

14.07.2020, Amnesty International: Illegale Rinderhaltung im Amazonasgebiet gefährdet indigene Gemeinschaften

15.07.2020, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Amnesty: Rinder von illegalen Weiden aus Amazonien in Lieferkette

30.03.2020, Fleischwirtschaft: Weiteres Rekordjahr für JBS

Brasilien: Studie bringt ein Fünftel der EU-Sojaimporte in Verbindung mit illegaler Entwaldung

Eine aktuelle Studie aus Brasilien belegt, dass illegale Entwaldung weiterhin ein bedeutendes Problem in den brasilianischen Regenwaldgebieten darstellt.

Die Wissenschaftler*innen betrachten die Gebiete des Amazonas und der Cerrados, den brasilianischen Ökosystemen mit den höchsten Entwaldungsraten. Sie kommen zu der Einschätzung, dass ungefähr zwanzig Prozent der Sojaimporte sowie mindestens 17 Prozent der Rindfleischimporte aus Produktionsbetrieben stammen, die illegal Wälder roden.

Darüber hinaus kommen sie zu der Einschätzung, dass ein Großteil der illegalen Entwaldung von einigen bestimmten Produktionsbetrieben vorgenommen werde: Insgesamt seien zwei Prozent der Landbesitzer in den Gebieten verantwortlich für mehr als sechzig Prozent der gesamten potenziell illegalen Entwaldung.

Die Wissenschaftler*innen kommentieren ihre Erkenntnisse hinsichtlich der Verantwortung der Importländer in der Europäischen Union wie folgt: „Alle Wirtschaftspartner Brasiliens sollten die Schuld für die indirekte Förderung der Entwaldung und der Treibhausgasemissionen mittragen, die dadurch entsteht, dass sie den Import und den Konsum landwirtschaftlicher Produkte, die mit illegaler oder nicht illegaler Entwaldung kontaminiert sind, nicht unterbinden.“

Weitere Informationen

17.07.2020, Science:

The rotten apples of Brazil’s agribusiness

17.07.2020, Der Tagesspiegel:

Importierte Abholzung: Software zeigt Raubbau in Amazonien