Corona-Erholungsprogramm des NABU für Mensch, Tier und Umwelt

Vor einigen Tagen veröffentlichte der NABU ein „Corona-Erholungsprogramm“, in dem er auf einen nachhaltigen Wandel in der Wirtschaft pocht und Forderungen entwirft, die die Welt nach Überwindung der Pandemie sicherer, grüner und gesünder werden lassen sollen. Unter anderem werden agrarpolitische Maßnahmen vorgeschlagen, eine explizite Thematisierung der für Mensch, Tier und Umwelt verheerenden Tierindustrie erfolgt allerdings nicht.

05.05.2020, NABU: Kein Weiter So und Kein Zurück

05.05.2020, presseportal.de: NABU Forderungen an ein Corona-Erholungsprogramm

Corona: Landwirtschaftsminister*innen der Länder fordern Konjunkturmaßnahmen

Bei der Agrarministerkonferenz (AMK) in Saarbrücken letzte Woche haben sich die Landwirtschaftsminister*innen der Bundesländer für Konjunkturmaßnahmen für Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft sowie die Fischerei ausgesprochen. Konkrete Vorhaben wurden nicht verkündet, allerdings wird die Tierindustrie-Lobby mit entsprechenden Forderungen nicht lange auf sich warten lassen…

11.05.2020, agrarheute.com: Agrarministerkonferenz: Länder fordern Corona-Konjunkturprogramm für die Landwirtschaft

Corona bei Westfleisch – Pfarrer Kossen und die KAB Coesfeld alarmiert

Seit 9:30 Uhr steht Sozialpfarrer Peter Kossen heute in Coesfeld vor den Toren eines großen Schlachtbetriebs von „Westfleisch“, des drittgrößten fleischverarbeitenden Konzerns Deutschlands, um besseren Schutz der Arbeiter*innen vor Corona zu erwirken.

Zum jetzigen Zeitpunkt wurden bei 129 der 1.200 Mitarbeiter*innen Infektionen bestätigt, wie der WDR berichtet. Daraufhin bleibt der Betrieb nun vorübergehend geschlossen und Lockerungen werden aufgeschoben. In Nordrhein-Westfalen ordnete die Landesregierung bereits an, dass alle Schlachthofmitarbeiter*innen auf Corona getestet werden müssen. Eine der Forderungen Herrn Kossens und der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB), Bezirksverband Coesfeld, lautet, verpflichtende Tests auch in Niedersachsen zu veranlassen.

Wir veröffentlichen im Folgenden die Pressemeldung Herrn Kossens und der KAB Coesfeld vom 8. Mai 2020:

Sozialpfarrer fordert: Arbeitsmigrant*innen besser schützen.
Peter Kossen warnt vor massenweiser Infektion unter Arbeitsmigrant*innen

Coesfeld. Mit Bestürzung reagieren Sozialpfarrer Peter Kossen und die Katholische Arbeit-nehmer-Bewegung (KAB) Bezirksverband Coesfeld auf die Cov19-Infektionen in einer Coesfelder Großschlachterei.

Kossen warnt seit Wochen eindringlich vor einer massenweisen Corona-Infizierung von osteuropäischen Arbeitsmigranten in Großbetrieben. Angesichts prekärer Wohnverhältnisse und harten Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie befürchtet er eine Vielzahl schwerer Verläufe der Corona-Erkrankung bei den Arbeitern und Arbeiterinnen in dieser Branche. Totalerschöpfung und mangelnden Arbeitsschutz beklagt der engagierte Pfarrer und KAB-Vorstandsmitglied. „Der Vorfall in Coesfeld wird nur der Anfang sein“, warnt Kossen.

Enge und gesundheitsgefährdende Unterkünfte, in denen mitunter ganze Familien von Ar-beitsmigranten mit ihren Kindern leben, verschärfen die Infektionsgefahr. Landesweit müs-sen, so fordern KAB und Kossen, die Unterkünfte von Saisonarbeitern in der Fleischindustrie und in der Landwirtschaft verstärkt überprüft und konsequent verbessert werden. „Menschenwürdiges Leben und Arbeiten ein Menschenrecht“, betont der katholische Sozialver-band KAB.

Arbeits- und Wohnbedingungen schnell ändern.

Kossen fordert von den Unternehmen und den Behörden schnellstmöglich umfassende und wirksame Maßnahmen zum Schutz der Arbeitsmigranten. „Die Arbeits- und Lebensbedingungen der in der Fleischindustrie-Beschäftigten liefern die Betroffenen und ihre Angehörigen wehrlos einer hochansteckenden und sehr gefährlichen Krankheit aus,“ so Kossen. Es müsse jetzt sehr schnell gehandelt werden. Sonst könne der Fall Coesfeld schnell nur der Anfang einer massiven Infektionswelle für die Arbeiter*innen sein.

08.05.2020, WDR.de
Corona bei Westfleisch: Betrieb in Coesfeld wird geschlossen

Zum Thema berichteten wir bereits am 6. Mai 2020:
Corona nun auch in Westfleisch-Schlachthof

(Bild „Werksgelände des Fleischcenters Coesfeld von Westfleisch“ @ Meatandbeef)

Milchbauern und -bäuerinnen protestieren gegen EU-Milchmarktpolitik

Anhänger des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) haben heute im Berliner Regierungsviertel gegen das Corona-Krisenmanagement für den EU-Milchmarkt demonstriert. Anstelle der beschlossenen Bezuschussung der privaten Lagerhaltung in Höhe von rund 80 Millionen Euro fordern sie eine EU-weite Reduzierung der Milchüberschüsse.

An diesem Konflikt zeigt sich die Uneinigkeit innerhalb der Milchindustrie: Während Molkereien die private Lagerhaltung befürworten, um mit staatlichen Finanzzuschüssen Milch einzulagern, fürchten die im BDM organisierten Milchviehhalter einen weiteren Preisrückgang.

Klar ist: Eine Reduzierung der Milchproduktion ist der staatlichen Bezuschussung der Einlagerung definitiv vorzuziehen. Doch dürfte es dann nicht, wie vom BDM gefordert, bei zeitlich befristeten Maßnahmen bleiben – vielmehr müsste das den Einstieg in den Ausstieg aus der Tierindustrie markieren.

07.05.2020, agrarheute.com:

BDM-Milchbauern errichten Milchpulver-Pyramide vor dem Kanzleramt

07.05.2020, BDM Pressemitteilung:

Milchpyramide aus über 300 Säcken Milchpulver: Gegen die Einlagerung & FÜR die EU-weite Reduzierung von Milchüberschüssen

Corona-Sterblichkeit signifikant höher in Gebieten mit intensiver Tierhaltung

Wir verbreiten hiermit die Pressemeldung des Landesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen e. V. zum Thema Gesundheitsbelastung für Menschen in Gebieten mit intensiver Tierproduktion, die sich in der derzeitigen Pandemiesituation verheerend auswirkt:

Pressemitteilung
Deutlich mehr Corona in Intensiv-Tierhaltungsgebieten


Gesundheitssorgen der Bürgerinitiativen gegen Agrarfabriken nachdrücklich bestätigt

Bürgerinitiativen-Verband LBU fordert strengere Genehmigungspraxis und Umbau der Tierhaltung

Die niedersächsische Bürgerinitiativen-Vereinigung Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz  (LBU) sieht die Gesundheits-Sorgen von Anwohnern bestehender und geplanter Groß-Tierhaltungsanlagen durch neue Corona-Untersuchungen dramatisch bestätigt. So weise eine aktuelle Harvard-Studie einen Zusammenhang zwischen Feinstaubwerten und Corona-Sterblichkeit nach, ebenso eine neue Studie des Max-Planck-Instituts Mainz. Die Weltbank und die Freie Universität Amsterdam konstatierten ebenfalls eine „robuste Verbindung“: Wenn der Feinstaubgehalt in der Luft um 20 Prozent ansteige, verdoppele sich die Anzahl der Corona-Opfer. Eine staatliche niederländische Untersuchung in Landregionen habe ohnehin ein erhöhtes Risiko von Lungenentzündungen für Anwohner im Umkreis von 1 bis 2 km um Intensiv-Tierhaltungsanlagen ergeben.

Die erhöhte Luft-Konzentration von Feinstaub und Toxinen und antibiotikaresistenten Keimen führen, so LBU-Vertreter Eckehard Niemann, zu einer Vorbelastung der Lungen, die in Corona-Zeiten überproportional steigenden Corona-Opfern zur Folge hätten. Untersuchungen der niederländischen Behörden hätten zudem nachgewiesen, dass Luftwaschanlagen und Filter die Luft aus den Intensiv-Tierhaltungs-Anlagen nur sehr begrenzt säubern könnten.

Der LBU fordert die kommunalen Genehmigungsbehörden dazu auf, die ihnen durch die Novelle des Baugesetzbuchs geschaffenen Rechte konsequent zu nutzen, keine Baugebiete für gewerbliche Ställe oberhalb von 1.500 Schweinemast-, 560 Sauen-,  30.000 Hähnchenmast- und 15.000 Puten/Legehennen-Plätzen zu beschließen. Bund und Länder seien gehalten, die Schutzvorschriften für Anwohner gegen Immissionen und insbesondere Keime deutlich zu verbessern.

LBU-Vertreter Niemann verweist darauf, dass die Immissionen bei Offenställen mit artgerechter Haltung und Stroheinstreu nicht höher seien als bei konventionellen Ställen – bei einer angemessenen Tierzahl steige nicht nur das Tierwohl, sondern könne auch eine gesundheitliche Beeinträchtigung von Anwohnern ausgeschlossen werden. Für eine solche artgerechtere und flächenverbundene Tierhaltung in bäuerlich-mittelständischen Strukturen trete der LBU ein.

Gemeinsam mit bundesweit Hunderten von Bürgerinitiativen seien bereits mehrere hundert agrarindustrielle Tierhaltungs-Anlagen verhindert worden – nach dem gemeinsamen Motto: „Bauernhöfe statt Agrarfabriken!“ Eine Erzeugung von „Klasse statt Masse“ könne – wegen dem damit verbundenen Abbau der Überschuss-Erzeugung – endlich zu überproportional steigenden Erzeugerpreisen führen.  

06.05.2020, Pressemitteilung des Landesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen e.V.

Kontakt:

Erhebliche Mängel bei Schlachthofkontrollen in Niedersachsen – vorerst keine Videoüberwachung

Enthüllende Videos von Tierrechtsaktivist*innen aus Schlachthöfen in Niedersachsen waren Anlass für unangekündigte Kontrollen in niedersächsischen Schlachtbetrieben im Zeitraum von Mitte November 2018 bis März 2020. Die Bilanz: Beinahe alle Betriebe wiesen erhebliche Mängel in den Bereichen Hygiene und/oder „Tierwohl“ auf. Die Kontrollen sollen sobald möglich fortgesetzt werden. Im Moment ermittelt die Staatsanwaltschaft Oldenburg.

Schlachtbetriebe fallen immer wieder aufgrund grauenvoller Zustände auf. Vor diesem Hintergrund forderte der Bundesrat die verbindliche Einführung von Videoüberwachungssystemen in Schlachtbetrieben, um den massiven Verstößen entgegenzuwirken. Diese Forderung ist nun vorerst an der Bundesregierung gescheitert, die datenschutzrechtliche Bedenken vorgeschoben hatte.

Die Zahl ernüchternder Berichte dieser Art werden sich weiterhin häufen, solange eine auf Profitmaximierung ausgerichtete Industrie Tiere als Waren ausbeuten kann. Wir fordern die endgültige Abschaffung der Tierindustrie, die enorme Ausbeutung zu verantworten hat.

04.05.2020, presseportal.de / Neue Osnabrücker Zeitung:

https://www.presseportal.de/pm/58964/4586624

https://www.presseportal.de/pm/58964/4586625

05.05.2020, FLEISCHWIRTSCHAFT online:

Videoüberwachung: Vorerst keine Pflicht in Schlachthöfen

Politik und Agrarlobby – Erkenntnisse aus der EU-Düngeverordnung

Neue Recherchen von abgeordnetenwatch.de offenbaren das enorme Ausmaß der Interessensverbindungen zwischen der Bundesregierung und dem Deutschen Bauernverband, der größten Agrarvertretung Deutschlands.

Ausgangspunkt der Recherchen waren die seit vielen Jahren von Deutschland unzureichend umgesetzten EU-Maßnahmen zum Gewässerschutz. Der Bundesregierung wurde letztlich ein Ultimatum gesetzt: Bis Frühjahr 2020 sollten entsprechende Maßnahmen vorgelegt werden. Erst kurz vor Ablauf der Frist lenkte der Bundesrat ein und ermöglichte Reformen im deutschen Düngerecht, welches die EU-Nitratrichtlinie zum Schutz des Grund- und Oberflächenwassers vollständig umsetzen muss, um hohe Strafzahlungen zu vermeiden.

Positionen von Umweltverbänden wurden dabei von der Bundesregierung weitgehend ignoriert. Stattdessen fällt der jahrelange Kurs der Bundesregierung mit den Positionen des Deutschen Bauernverbandes zusammen. Die Interessensdeckung überrascht nicht, schließlich sind 85 Prozent der CDU/CSU-Abgeordneten direkt mit der Land- und Agrarwirtschaft in Verbindung zu bringen, wie eine vom NABU in Auftrag gegebene Studie zeigt. So sei im Allgemeinen der jahrzehntelange Widerstand gegen Agrarreformen zu erklären, so der Leiter der Studie Dr. Guido Nischwitz.

In Deutschland wird die Hälfte der Fläche landwirtschaftlich genutzt. Auf einem Großteil dieser Fläche wiederum wachsen nicht etwa Nahrungsmittel für Menschen, sondern Tierfutter, und das unter intensiver Düngung. Die Abschaffung der Tierindustrie als Baustein einer ökologischen Agrarwende würden Flächen für umweltschonendere Nahrungsmittel frei machen.

30.04.2020, abgeordnetenwatch.de:

Düngeverordnung: Wie sich die Bundesregierung für die Interessen der Agrarlobby stark machte

09.10.2019, SWR:

Gekaufte Agrarpolitik. Wie Industrie und Agrarlobby durchregieren

April 2019, NABU:

Verflechtungen und Interessen des Deutschen Bauernverbandes (DBV)

Die „Fabrik der Infizierten“ – Der Corona-Ausbruch in Pforzheim und die Ausbeutung der Werkvertragsarbeiter*innen in der Fleischindustrie

300 meist rumänische Werkvertragsarbeiter*innen infizierten sich im Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb Müller Fleisch in Pforzheim mit dem Coronavirus. Von einer „Fabrik der Infizierten“ spricht Spiegel Online in einem Artikel und berichtet über die untragbaren Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter*innen.

500 Millionen Euro Umsatz macht Müller Fleisch und beliefert werden vor allem Discounter. Stefan Müller erklärt sich den heftigen Corona-Ausbruch mit rassistischen Plattitüden: Die Rumänen seien halt ein geselliges Volk, es werde viel gefeiert, so der Geschäftsführer des Unternehmens, das gut die Hälfte des Fleischmarktes in Baden-Württemberg beherrscht.

Tatsächlich kritisieren Gewerkschaften, Arbeitsrechtsinitiativen und Unterstützer*innenkreise seit Wochen den fehlenden Gesundheitsschutz für prekär beschäftige Arbeiter*innen in der Fleischindustrie. Abstandsregeln würden nicht eingehalten, die Unterbringung in Massenunterkünften verhinderten jeden Infektionsschutz und die Schwerstarbeit mit 12-Stunden-Schichten an 6 Tagen die Woche belaste die Gesundheit der Beschäftigten, kritisierte kürzlich Peter Kossen, der seit Jahren für die Rechte von Arbeitsmigrant*innen aktiv ist. Die Verantwortung für derartige Zustände werde an Subunternehmen abgeschoben, bei denen ein Großteil der Arbeiter*innen offiziell beschäftigt sind.

Auch bei Müller Fleisch sind die Hälfte der Beschäftigten über Subunternehmen angestellt. 500 der 1.100 Arbeiter*innen kommen aus Rumänien, der Großteil von ihnen befindet sich mittlerweile in Quarantäne. Eine Schließung des Betriebs lehnt Müller Fleisch ebenso ab wie eine Beteiligung an den Kosten der Quarantänemaßnahmen des Landkreises.

02.05.2020, Spiegel Online:

„Die Fabrik der Infizierten“

26.04.2020, RP Online:

„Kossen warnte vor Infizierung der Leiharbeiter“

(Bildquelle: Animal Rights Watch e.V. – ARIWA)