Hierzulande ist die Tierindustrie weiterhin auf Wachstumskurs, ungeachtet der enormen negativen Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Natur. Und von den Regierungen, ob von Bund oder Ländern, wird häufig propagiert, dass staatliche Maßnahmen zur Reduktion der Tierproduktion nicht machbar seien. Vermeintliche Gründe gibt es viele: etwa dass die Mittel fehlten, zu strenge Regulierungen die Lebensmittelversorgung gefährdeten, die internationale Wettbewerbsfähigkeit riskiert würde, oder dass freie Märkte Probleme viel effektiver lösten, oder …
Interessant ist daher zu schauen, welche Wege andernorts eingeschlagen werden. Blicken wir in die Niederlande: Dort gibt es wie in Deutschland eine mächtige Tierindustrie und vergleichbare negative Auswirkungen. Während der deutsche Bundesrat die Schweineproduktion noch mit einer Legalisierung der bislang illegalen Kastenstände stützt, hat der niederländische Staat schon längst ein Ausstiegsprogramm für Schweineproduzent*innen aufgelegt. Ziel des Programms mit dem Titel „Warme Sanierung“ ist es, Bäuer*innen zur Bestandsabstockung oder Betriebsaufgabe zu bewegen – insbesondere in Gegenden mit besonders hoher Umweltbelastung. Für Bäuer*innen, die ihren Betrieb komplett aufgeben, wird eine Summe von 180 Millionen Euro bereitgestellt.
Das Programm, welches im November vergangenen Jahres gestartet wurde, wird inzwischen bereits von insgesamt mehr als 400 niederländischen Schweinebetrieben in Anspruch genommen. Und wenn alle Betriebe, die gegenwärtig an einer Aufgabe ihrer Produktion interessiert sind, die Produktion tatsächlich beenden, entspräche das einem Anteil von über zehn Prozent der gesamten niederländischen Schweineproduktion. Die niederländische Landwirtschaftsministerin hatte auch angekündigt, dass sie keinen interessierten Schweinebetrieb ablehnen wolle und, wenn nötig, das Budget aufstocken werde.
Auch zuvor schon gab es staatliche Förderprogramme für Aussteiger*innen: Unter dem Titel „Aktionsplan Ammoniak“ wurden Schweineproduzent*innen weniger strenge Umweltschutzregeln zugestanden, wenn sie ihren Betrieb zu einem festen Stichtag schlossen.
Klar ist: Eine echte Agrarwende erfordert noch deutlich weitreichendere Maßnahmen. Ausstiegsprogramme, die Tierproduzent*innen eine Perspektive bieten, sind dabei aber sicherlich eine sinnvolle soziale Komponente.
Weitere Informationen
06.07.2020, agrarheute Online:
Niederlande – Hofaufgabe: Über 400 Schweinehalter steigen aus
17.01.2020, agrarheute Online:
Emissionsreduktion – Niederlande: Mehr ausstiegswillige Landwirte, mehr Geld
Bildquelle: ARIWA – Animal Rights Watch e. V.