Solidarität mit den Arbeitskämpfen in der Fleischindustrie

Nach der Blockade der Fleischkonzerne in den Tarifverhandlungen ruft die Gewerkschaft NGG zu Streiks auf!

„Arbeitgeber, die Jahr für Jahr Millionen-Umsätze einfahren, bezeichnen 10,50 Euro pro Stunde als ihre Schmerzgrenze. Für diejenigen, die weiter mit solch einem Armutslohn klarkommen sollen, ist das der pure Hohn.“ Mehrere Wochen verhandelte die Gewerkschaft NGG (Nahrung-Genuss-Gaststätten) mit den Arbeitgeberverbänden der Fleischindustrie. Am Abend des 29.3. ist klar, die Verhandlungen scheitern an der Blockadehaltung der Fleischkonzerne. Die Quittung, so Freddy Adjan, stellvertretender Geschäftsführer der NGG in einer Presseaussendung, gäbe es in den nächsten Wochen: „Wir werden nun die Beschäftigten zu Streiks aufrufen.“

Blockadehaltung der Fleischkonzerne

Ausgelöst durch die Corona-Ausbrüche in den Schlachthöfen und Fleischfabriken entfachte sich im vergangenen Jahr eine Protestwelle gegen die unzumutbaren Arbeits- und Lebensbedingungen der überwiegend osteuropäischen Beschäftigten in der Fleischindustrie. Ende des Jahres verabschiedete der Bundestag das Arbeitsschutzkontrollgesetz. Werkverträge sollten in den Kernbereichen der Schlachtung, Fleischverarbeitung und Verpackung verboten werden. Die Fleischkonzerne mussten daraufhin mehrere Zehntausend Beschäftigte, die zuvor über Subunternehmen beschäftigt waren, direkt einstellen. Weitergehende Maßnahmen wie das Verbot von der Leiharbeit oder stärkere Kontrollen des Arbeitsschutzes scheiterten am Widerstand der Fleischlobby und der CDU/CSU-Fraktion.

Die Blockadehaltung der Verbände und Fleischkonzerne dürfte daher wenig überraschen. Gerade einmal 10,50 Euro Mindestlohn pro Stunde waren Tönnies, PHW-Wiesenhof, Vion & Co. bereit zu zahlen. Die Gewerkschaft NGG forderte 12,50 Euro Einstiegslohn, der sich nach der Einarbeitung auf 14,00 Euro erhöhen sollte. Zudem sollten über einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag Mindestarbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, Arbeitszeitkonten, Zuschläge und Urlaub für die rund 160.000 Beschäftigten in der Branche geregelt werden. Verbesserungen, die insbesondere den prekär beschäftigten, meist migrantischen Beschäftigten zu Gute kämen.

Die Zeichen stehen auf Streik

Bereits in den vergangenen Wochen kam es zu mehreren Warnstreiks. Am 25. März streikte die gesamte Nachtschicht der Belegschaft des VION-Schlachthofs in Landshut und forderten auf Transparenten „Mehr Geld! Mehr Urlaub! Tarifvertrag jetzt!“. Einen Tag später legten auch 60 Beschäftigte des zum Tönnies-Konzern gehörenden Fleischverarbeiters Marten in Gütersloh die Arbeit nieder, um den Druck weiter zu erhöhen.

Die Bereitschaft der Beschäftigten, ihre Forderungen über Arbeitskämpfe durchzusetzen, ist hoch: Neben den Warnstreiks in den aktuellen Tarifauseinandersetzungen kam es zuletzt an drei Standorten des deutsch-niederländischen Schlachtkonzerns VION zu wilden Streiks. Die Arbeiter*innen wehrten sich mit Arbeitsniederlegungen erfolgreich gegen zu niedrige Lohnabrechnungen. Die Aufrufe zu Streiks sind daher alles andere als leere Drohungen: „Die Leute“, so Freddy Adjan (NGG), „waren schon vor der heutigen Tarifverhandlung extrem sauer – die Stimmung in den Betrieben wird sich jetzt noch weiter aufheizen.“

Solidarität mit den streikenden Arbeiter*innen in der Fleischindustrie

Unser Bündnis stellt sich in der aktuellen Auseinandersetzung klar hinter die Beschäftigten. Wir richten uns gegen die prekären und gering entlohnter Beschäftigungsverhältnisse in der Fleischindustrie und rufen dazu auf, die Arbeiter*innen in den Schlachthöfen und Fleischbetrieben aktiv zu unterstützen.

Aktuelle Informationen zu den Arbeitskämpfen:

NGG: Homepage | Facebook | Twitter | Instagram

Faire Mobilität: Homepage | Facebook | Twitter

Werkverträge in der Fleischindustrie: DGB veröffentlicht Studie zu Rechtmäßigkeit eines Verbots

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) haben gemeinsam ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Vereinbarkeit des Verbots von Werkverträgen und Leiharbeit mit dem Grundgesetz untersucht.

Anlass für das Gutachten waren die wiederkehrenden Behauptungen der Fleischindustrie, dass ein solches Verbot nicht verfassungskonform umgesetzt werden könne. Erst kürzlich kommentierte Jutta Krellmann, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit der Linksfraktion im Bundestag, die Lobbytätigkeiten der Fleischindustrie: „Bisher konnten die Lobbyisten der Fleischindustrie noch jeden Gesetzentwurf auf Kosten der Beschäftigten verwässern“.

In dem nun vorliegenden Gutachten kam der Autor Prof. Dr. Wolfgang Däubler von der Universität Bremen zu dem Schluss, dass ein solches Verbot sehr wohl verfassungskonform umsetzbar ist. Insbesondere ist das Verbot geeignet, erforderlich sowie verhältnismäßig, um das mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz beabsichtigte Ziel eines verbesserten Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen.

Dazu sagt DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel: „Gesundheitsschutz von Beschäftigten hat ganz klar Vorrang vor unternehmerischer Freiheit. Für die Fleischbranche ist es jetzt an der Zeit, ihre Wagenburg zu verlassen, um mit den menschenunwürdigen Praktiken abzuschließen und im eigenen Hof aufzuräumen. Wer jahrelang Menschen unter so entsetzlichen Arbeits- und Unterkunftsbedingungen beschäftigt, muss am Ende akzeptieren, dass der Gesetzgeber eingreift, wenn nichts passiert„.

Derweil kündigte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner an, die Zahl an Routinekon­trollen in der Fleischindustrie senken zu wollen, um mehr Kapazitäten für sogenannte Problembetriebe zu haben – ein offensichtlicher Versuch, der Fleischindustrie entgegen zu kommen.

Weitere Informationen:

18.09.2020, DGB: Neues Gutachten – Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischwirtschaft rechtlich möglich

21.09.2020, junge Welt: Tönnies und Co. – Fett fürs Schweinesystem

Corona in Spanien: Gewerkschaft verklagt Fleischkonzern

In Spanien verklagt die CNT (die spanische Schwestergewerkschaft der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union, FAU), das Unternehmen Litera Meat des Fleischkonzerns Pini-Gruppe. Der Anlass: In Betrieben des Unternehmens sind hunderte Arbeiter*innen an Corona erkrankt.

Die CNT kämpft in mehreren Betrieben in Spanien gegen die Ausbeutung von Arbeiter*innen in der Tierindustrie. In einem Betrieb streiken Arbeiter*innen schon seit mehreren Monaten.

Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle: Aufgrund der gängigen Unterbringungen in Massenunterkünften und der Sammeltransporte sind Arbeiter*innen der Tierindustrie überall einem hohen Risiko der Erkrankung an Corona ausgesetzt. Wegen der enormen körperlichen Belastung und einer oftmals mangelhaften gesundheitlichen Versorgung zählen viele Arbeiter*innen außerdem zu Risikogruppen. Die viel zu schwachen Arbeitsrechte der oftmals migrantischen Werksvertragsarbeiter*innen werden dabei immer weiter ausgehölt, bestehende Rechte sind in Zeiten von Corona noch schwerer zu erkämpfen.

01.05.2020, PÚBLICO (auf spanisch):

Más de mil infectados por la cadena de contagio originada por los carniceros del Piamonte en el matadero de Binéfar

Fleischindustrie in Spanien: Migrant*innen kämpfen gegen Ausbeutung

Auch in Spanien ist der Fleischmarkt dominiert von großen Konzernen, die die Arbeiter*innen massiv ausbeuten. Bereits seit Langem setzen sich Arbeiter*innen mit ihrer Gewerkschaft CNT – der spanischen Schwestergewerkschaft der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) – für ein Ende der Ausbeutung ein.

Seit dem 25. Februar schon sind die Arbeiter*innen einer Fleischfabrik in Valencia (Spanien) im unbefristeten Streik. Sie errichteten ein Streik-Camp vor der Fabrik, organisierten Kundgebungen und Demonstrationen, einige gingen sogar in den Hungerstreik. Ihre Hauptforderung: reguläre Arbeitsverträge für die scheinselbstständigen Arbeiter*innen.

Wir zeigen uns solidarisch und fordern: Enteignung der Anlagen und Selbstverwaltung der Arbeiter*innen!

Auf den Seiten der FAU Duisburg / Ruhrgebiet finden sich weitere Hintergrundinformationen:

20.04.2020, FAU Duisburg / Ruhrgebiet:

FAU Duisburg / Ruhrgebiet unterstützt streikende Arbeiter*innen in Valencia

22.04.2020, labournet.de: