Studie: Enormes Treibhausgas-Einsparpotential durch den Ausstieg aus der Tierindustrie

Eine jüngst veröffentlichte wissenschaftliche Studie zeigt ein enormes Treibhausgas-Einsparpotential durch die Reduktion von Fleisch und Milch in der Ernährung. In der Publikation „The carbon opportunity cost of animal-sourced food production on land“ zeigen Wissenschaftler*innen verschiedener US-amerikanischer Universitäten, dass das Potential zur Einsparung von CO² durch den Ausstieg aus der Tierindustrie der Größenordnung der Emissionen fossiler Energieträger des gesamten letzten Jahrzehnts entspricht.

Der Grund ist, dass die Tierpoduktion enorme Landflächen beansprucht. Würden stattdessen Pflanzen für den direkten menschlichen Verzehr produziert, könnten die freiwerdenden Flächen für Klimaschutzmaßnahmen genutzt werden, etwa zur Aufforstung von Wäldern oder der Wiedervernässung von Mooren. Die Klimaschutzpotentiale dieser alternativen Nutzungsmöglichkeiten bezeichnen die Wissenschaftler*innen als Kohlenstoff-Opportunitätskosten, analog zur Nutzung des Begriffs Opportunitätskosten in der Ökonomie.

Würde ein globaler Umstieg hin zu pflanzenbasierten Ernährungsweisen gelingen, so schätzen die Autor*innen, könnten zwischen 332 und 547 Gigatonnen CO² eingelagert werden. Dies entspräche zwischen 99 und 163% des gesamten Emissions-Budget, das der Menschheit aktuell noch zur Verfügung steht, um mit 66% Wahrscheinlichkeit das 1.5 °C Ziel zu erreichen.

Die Opportunitätskosten gehen zu großen Teilen (72%) auf Weideflächen von Wiederkäuern zur Fleisch und Milchproduktion zurück. Demgegenüber sind die Flächen, auf denen die Tierindustrie Futtermittelanbau betreibt, für 28% verantwortlich. Und je länger die Regierungen den nötigen Wandel im Landwirtschafts- und Ernährungssystem hinauszögern, desto größer werden die stetig wachsenden Opportunitätskosten.

Würde die Tierproduktion wie in dem Szenario beschrieben so drastisch reduziert, wäre die Lebensmittelproduktion laut den Wissenschaftler*innen jedoch immer noch in der Lage, um die Weltbevölkerung mit mehr als genug der nötigen Nährstoffen zu versorgen.

Weitere Informationen

07.09.2020, Hayek, M.N., Harwatt, H., Ripple, W.J. et al.: The carbon opportunity cost of animal-sourced food production on land. Nat Sustain

„Butchering the Planet“ – wie Banken die klimaschädliche Tierindustrie finanzieren

Die britische Organisation Feedback hat eine Studie veröffentlicht, wie Banken die klimaschädliche Tierindustrie finanzieren. Unter dem Titel „Butchering the planet: The big-name financiers bankrolling livestock corporations and climate change“ untersucht Feedback, welche Finanz-Player am stärksten investieren und auf welche Summe sich das Finanzvolumen beläuft.

Das Ergebnis: In den Jahren 2015 bis 2020 erhielten die globalen Player der Tierindustrie über 478 Milliarden Dollar von mehr als 2.500 Investmentfirmen, Banken und Pensionsfonds aus der ganzen Welt. Die größten Player sind Blackrock, die Capital Group and die Vanguard Group. Diese zählen zu den größten Vermögensverwaltern der Welt und investieren auch massiv in andere klimaschädliche Bereichen. Von den deutschen Unternehmen sticht die Deutsche Bank hervor, die sowohl zu den 15 größten Investor*innen wie auch den 15 größten Kreditgeber*innen der Tierindustrie zählt.

Die 15 größten Kreditgeber*innen der Tierindustrie; die Deutsche Bank liegt auf Platz 12.
Die 15 größten Investor*innen der Tierindustrie; die Deutsche Bank liegt auf Platz 15.

Feedback schließt die Studie mit dem Fazit:

We have reached peak livestock. Industrial meat and dairy production are utterly incompatible with a safe, ecologically sustainable life on earth. JBS, Cargill and Tyson are businesses as damaging to our planet as the fossil fuel industry. There is no version of industrial animal agriculture that is compatible with climate justice and a zero-carbon future.

Analog zu „Peak Oil“ spricht Feedback von „Peak Livestock“ – ab jetzt kann es nur einen Weg geben, und zwar den Ausstieg aus der Tierindustrie. Denn: die Tierindustrie ist völlig inkompatibel mit einer ökologisch verträglichen Lebensmittelproduktion. Es gibt keine Version der Tierindustrie, die mit Klimagerechtigkeit vereinbar ist.

Weitere Informationen

08.07.2020, Feedback: Butchering the planet – The big-name financiers bankrolling livestock corporations and climate change

Neue Podcast-Folge erschienen: Moore und Klimagerechtigkeit

Es ist soweit: eine weitere Folge unseres Podcasts: „Gemeinsam lauschen – der Podcast gegen die Tierindustrie“ ist fertig!

Die dritte Folge unseres Podcasts „Gemeinsam lauschen“ widmen wir den Mooren. Was ist eigentlich ein Moor? Welche Bedeutung haben Moore für unser Klima und welche Rolle spielen sie in der Landwirtschaft? Und was hat das eigentlich alles mit der Tierindustrie zu tun?

Diese und weitere Fragen haben wir mit zwei Aktivist*innen von Climate Justice Greifswald besprochen, die Moore zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit für Klimagerechtigkeit gemacht haben. Hört rein und teilt den Podcast mit euren Freund*innen.

Verfügbar ist der Podcast wie immer auf unserer Webseite, Soundcloud und Youtube!

Weitere Informationen:
Twitter-Account von Climate Justice Greifswald
Hintergrundinformationen zu Mooren
Alle Podcast-Folgen zum Nachhören

Ihr wollt mit der Podcast-AG Kontakt aufnehmen? Schreibt uns an:
podcast@gemeinsam-gegen-die-tierindustrie.de

Brasilien: Amnesty-Studie belegt Auswirkungen der Fleischindustrie auf indigene Gemeinschaften

Brasilien ist ein Hotspot der Zerstörung von Ökosystemen und des neokolonialen Landraubs. Und immer neue Studien zeigen: ein maßgeblicher Treiber ist die Tierindustrie. Zuletzt berichteten wir darüber, dass ein Fünftel der EU-Sojaimporte in Verbindung mit illegaler Entwaldung in brasilianischen Regenwaldgebieten steht.

Nun hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International eine Studie veröffentlicht, die sehr detailliert nachzeichnet, wie die Fleischindustrie im brasilianischen Amazonas-Regenwald indigene Gemeinschaften verdrängt und aktiv an der Regenwaldabholzung beteiligt ist.

Studie beleuchtet Lieferketten von illegal gehaltenen Rinderherden

Die Studie belegt, dass Fleischkonzerne ihre Lieferketten nicht wie vorgeschrieben auf illegal in Schutzgebieten gehaltene Rinder überprüfen. Und nicht nur das: die Fleischkonzerne schaffen wirtschaftliche Anreize für eben diese illegale Rinderhaltung. Laut Amnesty werden Rindertransporte durch legale Rinderfarmen geschleust, um die Verbindung zur illegalen Haltung zu vertuschen – das Vorgehen ist als „cattle laundering“ bekannt, auf deutsch „Rinderwäsche“ analog zum Begriff Geldwäsche.

Für die indigenen Gemeinschaften und die traditionellen Bewohner*innen der Schutzgebiete bedeuten diese Praktiken Menschenrechtsverletzungen in großem Ausmaß: durch die Ausweitung der Weideflächen wird Regenwald auf ihrem Territorium vernichtet und ihr Land geraubt.

Im Fokus: JBS, der enorm wachsende Weltmarktführer

Brasilien ist weltweit das Land mit den meisten Rindfleischexporten. Im Fokus der Studie steht der Hauptexporteur: der größte Fleischkonzern der Welt JBS. Der Konzern hat seinen Sitz in Brasilien und den USA und ist auf Rind- und Schweinefleisch spezialisiert. Im Jahr 2019 verzeichnete JBS einen Umsatz von 37,4 Mrd. Euro – ein Wachstum um mehr als 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, bei der brasilianischen Konzernsparte ein Wachstum um sogar knapp 16 Prozent. Zum Vergleich: der größte deutsche Fleischkonzern Tönnies kam im Jahr 2019 auf einen Umsatz von 7,3 Mrd. Euro – JBS kommt auf das Fünffache.

Der Staat drückt beide Augen zu

Ermöglicht wird dieses Vorgehen durch die eigentlich zur Einhaltung der Tierhaltungsverbote zuständigen staatlichen Stellen. Denn diese stellen die für den Handel mit den Tieren erforderlichen Dokumente aus, auch wenn es sich um Schutzgebiete handelt. Inzwischen hat sogar die Staatsanwaltschaft im Bundesstaat Pará mitgeteilt, dass es kaum möglich ist, Fleisch aus Amazonasgebieten zu konsumieren, das nicht mit Entwaldung in Verbindung steht.

Weitere Informationen:

14.07.2020, Amnesty International: Illegale Rinderhaltung im Amazonasgebiet gefährdet indigene Gemeinschaften

15.07.2020, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Amnesty: Rinder von illegalen Weiden aus Amazonien in Lieferkette

30.03.2020, Fleischwirtschaft: Weiteres Rekordjahr für JBS

Brasilien: Studie bringt ein Fünftel der EU-Sojaimporte in Verbindung mit illegaler Entwaldung

Eine aktuelle Studie aus Brasilien belegt, dass illegale Entwaldung weiterhin ein bedeutendes Problem in den brasilianischen Regenwaldgebieten darstellt.

Die Wissenschaftler*innen betrachten die Gebiete des Amazonas und der Cerrados, den brasilianischen Ökosystemen mit den höchsten Entwaldungsraten. Sie kommen zu der Einschätzung, dass ungefähr zwanzig Prozent der Sojaimporte sowie mindestens 17 Prozent der Rindfleischimporte aus Produktionsbetrieben stammen, die illegal Wälder roden.

Darüber hinaus kommen sie zu der Einschätzung, dass ein Großteil der illegalen Entwaldung von einigen bestimmten Produktionsbetrieben vorgenommen werde: Insgesamt seien zwei Prozent der Landbesitzer in den Gebieten verantwortlich für mehr als sechzig Prozent der gesamten potenziell illegalen Entwaldung.

Die Wissenschaftler*innen kommentieren ihre Erkenntnisse hinsichtlich der Verantwortung der Importländer in der Europäischen Union wie folgt: „Alle Wirtschaftspartner Brasiliens sollten die Schuld für die indirekte Förderung der Entwaldung und der Treibhausgasemissionen mittragen, die dadurch entsteht, dass sie den Import und den Konsum landwirtschaftlicher Produkte, die mit illegaler oder nicht illegaler Entwaldung kontaminiert sind, nicht unterbinden.“

Weitere Informationen

17.07.2020, Science:

The rotten apples of Brazil’s agribusiness

17.07.2020, Der Tagesspiegel:

Importierte Abholzung: Software zeigt Raubbau in Amazonien

Studie zur Milchindustrie kritisiert Großkonzerne und Folgen für Klimawandel

Der Ausstoß klimaschädlicher Gase durch die Milchindustrie ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Bereits von 2005 bis 2015 erhöhten sich die Emissionen laut der UN-Welternährungsorganisation um 18 Prozent. Eine Studie des Institute for Agriculture and Trade Police (IATP) spricht von einem weiteren sprunghaften Anstieg in den zwei Jahren nach der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens (2015). Die Organisation, die sich für einen nachhaltigen Agrarhandel einsetzt, geht von einer Steigerung des Ausstoßes von klimaschädlichen Gasen wie Kohlendioxid und Methan um elf Prozent von 2015 bis 2017 aus.

Der erhöhte Ausstoß gehe vor allem auf die Erweiterung der Produktion von milliardenschweren Großkonzernen wie Amul (Indien), Le Groupe Lactalis (Frankreich), Saputo (Kanada), Danone (Frankreich), Fonterra (Neuseeland), Dairy Farmers of America (USA) oder dem Deutschen Milchkontor (Deutschland) zurück. Insgesamt würden die 13 größten Konzerne mehr Emissionen zum Klimawandel beitragen als ganze Staaten wie zum Beispiel Großbritannien.

Gleichzeitig zeige sich in der Industrie ein lang anhaltender Konzentrationsprozess. Großbetriebe und Konzerne dominieren zunehmend die Produktion, die Verarbeitung und den Handel von Milchprodukten. Die forcierte Ausweitung der Produktion führe zu immer weiter sinkenden Preisen und der Verdrängung kleinbäuerlicher und mittelständischer Milchbetriebe, so das IATP. Seit 1997 verringerte sich beispielsweise die Zahl der Betriebe in den USA von 125.000 auf 54.000 im Jahr 2017. “You have to get bigger or get out“ – „Wachsen oder weichen“, fasst IATP-Autorin Shefali Sharma die Entwicklung zusammen.

Weitere Informationen:

15.06.2020, Shefali Sharma (IATP)
Milking the Planet – How Big Dairy is heating up the planet and hollowing rural communities
Ausführliche Zusammenfassung der IATP-Studie (englisch)

15.06.2020, The Guardian (UK)
Emissions from 13 dairy firms match those of entire UK, says report (englisch)

16.06.2020, World News Monitor
Kuhmilch hat schwerwiegende Folgen für die Umwelt (deutsch)

Treibhausgasemissionen aus der Tierhaltung – Bundesregierung antwortet auf Methan-Fragen

(von Friederike Schmitz, zuerstveröffentlicht am 18.06.2020 auf www.friederikeschmitz.de)

Abgeordnete der FDP haben eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu den Methan-Emissionen der Tierhaltung gestellt, Fragen und Antworten sind hier veröffentlicht. Das sind aus meiner Sicht die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Vorgang:

1. Die Bundesregierung will Methan-Emissionen aus der Tierhaltung reduzieren, aber nicht durch Verringerung der Tierbestände. Stattdessen wollen sie, dass Rinder besser gezüchtet und anders gefüttert werden, damit sie weniger Methan ausstoßen. Außerdem soll mehr Gülle und Reststoffe in Biogasanlagen genutzt werden.

2. Die Bundesregierung gibt den Anteil der Rinderhaltung und der Tierhaltung an den gesamten deutschen Treibhausgasemissionen mit 3,6 bzw. 4,1 Prozent zu niedrig an, da sie offenbar weder die Emissionen aus der Landnutzung (z.B. aus entwässerten Mooren, die häufig als Weideland dienen) noch die aus dem Anbau der Futtermittel einbezieht – was laut der Sektoreneinteilung, die auch der Weltklimarat benutzt, zwar vordergründig korrekt, aber trotzdem irreführend ist. Leider sind keine Details oder Belege angegeben. Ein Vergleich mit der Aufstellung des Thünen-Instituts legt aber nahe, dass wie dort diese Emissionsquellen nicht berücksichtigt wurden.

3. Die FDP greift die These auf, dass bei speziellem Weidemanagement die Tierhaltung positive Klimaeffekte haben könnte: „Studien zufolge ist die Nutztierhaltung aber nicht nur Verursacher von Emissionen, sondern kann etwa durch ein entsprechend angepasstes Weidemanagement sogar zur Kohlenstoffspeicherung im Boden beitragen.“

Es gibt weltweit immer mehr Leute und Gruppen, die diese These verteidigen und verbreiten, wenn sie auch in Deutschland noch wenig diskutiert wird. Die Idee ist, dass man den Kohlenstoffgehalt im Boden erhöhen kann, wenn man eine Fläche nach bestimmten Prinzipien, z.B. dem „holistischen Weidemanagement“ folgend, beweiden lässt. Auf diese Weise könnten also Treibhausgase aus der Atmosphäre reduziert werden – sowohl Kohlendioxid als auch Methan.

Es ist umstritten, wie gut das funktioniert und wie viel Kohlenstoff so gebunden werden kann. Die Metastudie „Grazed and Confused“ kommt zu dem Schluss, dass nur unter ganz speziellen Bedingungen nennenswerte Mengen Kohlenstoff eingelagert werden, die aber zugleich durch die Methan-Emissionen der Rinder zunichtegemacht und übertroffen würden, so dass die Weidehaltung selbst im besten Fall noch deutlich klimaschädlich sei. Die Verfechter*innen der genannten These überzeugt das allerdings nicht. Wir können in Zukunft damit rechnen, dass die Idee von der klimafreundlichen Rindernutzung eine größere Rolle in Diskussionen um die Tierhaltung spielen wird – und das, obwohl in Deutschland das „holistische Weidemanagement“ oder auch nur eine reine Weidehaltung, bei der die Tiere also nicht mit Ackerfrüchten zugefüttert werden (was eine Voraussetzung für die Klimaschutz-Behauptung ist), so gut wie gar nicht existiert.

4. Die Bundesregierung geht nicht davon aus, dass eine mögliche Einlagerung von Kohlenstoff aus Methan im Weideland die Methanemissionen der Rinder ausgleichen könnte; vielmehr meint sie, dass die Emissionen die mögliche Reduktion bei weitem übertreffen: „Die Methanaufnahme der Böden liegt in einer Spanne von unter 1 bis rund 6 kg Methan pro Hektar und Jahr und ist somit im Vergleich zur direkten Methanemission aus dem Verdauungstrakt der Rinder (z. B. im Mittel rund 138 kg Methan pro Kuh bei einer Milchleistung von 8100 Litern pro Jahr) vergleichsweise gering.“ Auch dafür fehlen leider in der aktuellen Version die Quellen, außerdem wird offenbar nur die Sequestrierung von Methan betrachtet, nicht die von Kohlendioxid. Wenn die Regierung aber in letzterem für die Weidehaltung ein nennenswertes Potential sehen würde, würde das wohl auch aufgeführt werden.

Weitere Informationen:

Artikel auf TopAgrar Online zur Kleinen Anfrage: Methanausstoß: Müssen Rinderhalter die Klimaschutzpläne ausbaden? (17.06.2020)