In den letzten Tagen berichteten mehrere Medien über die Anwerbeversuche von Tönnies an der polnisch-ukrainischen Grenze. Die Solidaritätsorganisation für Geflüchtete #TaxiForSolidarity hatte am 29.3. Vorwürfe gegen den Schlachtkonzern erhoben, u.a. dass gezielt alleinstehende Frauen für die Arbeit in den Schlacht- und Fleischfabriken angeworben würden.
Die Angaben wurden mittlerweile auch von weiteren Organisationen in Przemyśl bestätigt. Patrick Walkowiak von der Initiative Friends of Medyka berichtete gegenüber dem ARD-Magazin Panorama von seinen Erfahrungen: Tönnies-Mitarbeiter*innen hätten Flugblätter mit Arbeitsangeboten verteilt. Geflüchteten hätte man zu verstehen gegeben, keine kleinen Kinder oder Ältere mitnehmen zu wollen, sondern nur Menschen, die bei Tönnies auch arbeiten können. Walkowiak kritisiert: Geflüchteten befänden sich in einer absoluten Notlage und könnten in dieser Extremsituation die Anwerbeversuche gar nicht einordnen.
Simon, ein weiterer Helfer, kam in einem Interview im Radio Dreyeckland zu Wort: Tönnies-Mitarbeiter*innen hätten angeboten Busse zu organisieren, wenn die Helfer_innen (!) vor Ort Menschen fänden, die bereit wären, bei Tönnies zu arbeiten. Diese hätten die Tönnies-Arbeiter*innen allerdings kurzerhand des Camps verwiesen und kündigten an alle mit ihnen vernetzten Camps zu kontaktieren, um vor weiteren Anwerbeversuche zu warnen.
Tönnies rechtfertigte das Vorgehen gegenüber der Neuen Westfälischen Zeitung damit, den Menschen „eine Perspektive zu geben“. „Sie können bei uns arbeiten und kriegen auch eine Unterkunft“, meint ein Konzernsprecher und bestätigt damit auch, dass Geflüchtete keineswegs uneigennützig unterstützt wurden. Angesprochen würden fast nur alleinstehende Frauen, da Kinder nicht in Werkswohnungen untergebracht werden könnten, so der Sprecher weiter. „Würde Tönnies auch Kinder aufnehmen, müsse sich das Unternehmen auf dem privaten Markt umsehen“. Offenbar zu viel des Guten für den Schlachtkonzern.
Die Rechtfertigungsversuche von Tönnies stoßen völlig zu Recht auf Empörung und heftige Kritik. Tönnies nutze die Notlage der Menschen aus, meint die flüchtlingspolitische Sprecherin der Linken Clara Bünger: „Die Beschränkung seines Hilfsangebots auf Einzelpersonen, die sich verpflichten, in seinen Fleischfabriken zu arbeiten, macht sprachlos“.
Quellen und weitere Informationen:
Panorama-Bericht: https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/toennies-fluechtlinge-ukraine-101.html
NW-Artikel (Paywall): https://www.nw.de/nachrichten/wirtschaft/23230940_Toennies-Mitarbeiter-wollen-Gefluechtete-anwerben-und-werden-vertrieben.html
Interview Radio Dreyeckland: https://rdl.de/beitrag/t-nnies-versucht-przemy-l-frauen-die-gerade-vor-dem-krieg-geflohen-sind-als-arbeitskr-fte
TaxiForSolidarity: https://www.instagram.com/taxiforsolidarity