Milliarden-Subventionen für die Tierindustrie – Podcast-Folge zur Studie

Staatliche Gelder fließen in viele Bereiche, so auch in die Lebensmittelproduktion und entsprechend in die Tierindustrie. Doch das Ausmaß ist schwierig zu erfassen und kann ganz schön erschreckend sein: In dieser Podcast-Folge verraten wir euch, was die von unserem Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ in Auftrag gegebene Studie auf diesem Feld zu Tage gebracht hat. Dr. Lisa Knoke und Dr. Friederike Schmitz, Mitautorinnen der Studie „Milliarden für die Tierindustrie – Wie der Staat öffentliche Gelder in eine zerstörerische Branche leitet“, stehen dafür im Interview Rede und Antwort.

Ihr findet alle Folgen unseres Podcasts auf unserer Webseite, auf Soundcloud, Youtube und auch bei Spotify.

Ihr wollt mit der Podcast-AG Kontakt aufnehmen? Schreibt uns an: podcast@gemeinsam-gegen-die-tierindustrie.de

Vorstellung unserer Studie vor dem BMEL mit Bannerdrop von Robin Wood

Die gestern veröffentliche Studie „Milliarden für die Tierindustrie – Wie der Staat öffentliche Gelder in eine zerstörerische Branche leitet“ stellen wir heute bei einer Aktion vorm Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin vor. Die Aktivist*innen machen in einem Standbild deutlich, dass mit den 13,2 Milliarden Euro Subventionen für die Tierindustrie gleichzeitig ihre verheerenden Auswirkungen finanziert werden: Klimakrise, Tierleid, Umweltschäden, Ausbeutung und die Entstehung von neuen Krankheiten werden von der Tierindustrie mit verursacht.

Gleich vor dem Balkon des BMEL zwischen den Stangen der europäischen und deutschen Fahnen spannten Kletter*innen von Robin Wood e.V. ein Banner mit der Aufschrift „Ausstieg statt Umbau“ und unterstützten uns dabei bei dieser Aktion und unserer Haupt-Forderung.

In live-Posts können die Geschehnisse auf Facebook verfolgt werden.

Vor Ort ist auch Friederike Schmitz als eine der Autor*innen und fasst in einer Rede zusammen, woher die Subventionen hauptsächlich kommen und wie sie in der Studie berechnet wurden. In Anbetracht der negativen Auswirkungen die Tierindustrie, die in der Studie auch dargestellt wurden, kommen wir zu dem Schluss, dass wir neben weiteren Forderungen eine grundlegende Ernährungswende und den Ausstieg aus der Tierindustrie brauchen. Wie Friederike Schmitz erklärt, geht es uns dabei nicht darum, eine „Schulddebatte“ zu führen und den Tierhalter*innen unter anderem die Klimakrise zur Last zu legen, sondern die politische Dimension aufzuzeigen:

„Wir haben hier eine gesellschaftliche, politische Situation, die auch von der Gesellschaft und von der Politik mit verändert werden muss. Denn sie ist auch politisch, staatlich gemacht.“ Und: „[Es] wird ständig so getan, als ob das vor allem eine Sache der Konsument*innen sei, daran was zu ändern. […] Auch Julia Klöckner sagt, ‚der Staat kann nur Rahmenbedingungen setzten, wir sind nicht in der Planwirtschaft.‘ Tatsächlich tut der Staat viel mehr als das: der Staat fördert diese Branche und ist damit mitverantwortlich.

Aus unserer Sicht müssen daher die Subventionen sofort gestoppt werden und dieser staatliche Eingriff muss stattdessen in Richtung des sozialverträglichen, global gerechten, ökologischen und tierethischen Wandel der Landwirtschaft gehen.

Weitere Informationen zur Studie:

Rind mit einem €-Symbol als Ohrenmarke, Text: Milliardne für die Tierindustrie. Wie der Staat öffentliche Gelder in eine zerstörerische Branche leitet

Kommentar zur Borchert-Machbarkeitsstudie

Heute, am 02. März, veröffentlichte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) die „Machbarkeitsstudie zur rechtlichen und förderpolitischen Begleitung einer langfristigen Transformation der deutschen Nutztierhaltung“ . In diesem Kommentar zur Borchert-Machbarkeitsstudie schauen wir uns an, welches die zentralen Punkte sind.

Umfangreiche Infos zur Borchert-Kommission (auch Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung genannt) haben wir in einem separaten Hintergrund-Artikel veröffentlicht – dort führen wir auch aus, warum ihre Empfehlungen vom Februar 2020 gänzlich ungeeignet dafür sind, die Probleme im Zusammenhang mit der „Nutztier“-Haltung zu beheben.

Link zur Machbarkeitsstudie der Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs

Welche Finanzierungsmöglichkeiten empfehlen die Autor*innen der Machbarkeitsstudie?

Die Autor*innen sprechen sich wegen geringerer Verwaltungskosten für die Option der Anhebung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für tierische Produkte aus.

Darüber hinaus erachten die Autor*innen der Machbarkeitsstudie folgende Optionen als ebenfalls denkbar:

  • Allgemeine Steuermittel
  • Verbrauchsteuer auf tierische Produkte (von Borchert-Kommission präferiert)
  • Ergänzungsabgabe Tierwohl (vom Borchert-Kommission nicht in Betracht gezogen)

Als nicht zielführend erachten die Autor*innen eine „Sonderabgabe Tierwohl“ sowie die Umwandlung von EU-Direktzahlungen.

Dabei geben die Autor*innen zu, dass selbst bei der von ihnen empfohlenen Option noch Fragen offen bleiben. Insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit einer Zweckbindung der Steuer zum Zweck des Umbaus der Tierhaltung sehen die Autor*innen noch Schwierigkeiten. So schreiben sie, dass „im Falle einer Zweckbindung sowohl eine Verbrauchsteuer als auch eine Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes Zweifel an der Vereinbarkeit der Finanzierung mit Art. 30 bzw. 110 AEUV aufwerfen“. Diesem Umstand könnte laut den Autor*innen dadurch begegnet werden, dass die Borchert-Empfehlungen nicht lediglich durch Mehreinnahmen aus Steuern auf tierische Produkte, sondern vielmehr durch Steuererhöhungen auf sämtliche derzeit dem ermäßigten Satz unterliegende Lebensmittel finanziert würde. Somit würden auch pflanzliche Produkte teurer, um die Aufrechterhaltung der Tierindustrie mitzufinanzieren!

Wie teuer würde die Umsetzung der Borchert-Empfehlungen werden?

Eine vollständige Antwort liefert auch die Machbarkeitsstudie nicht. Jedoch wird klar: die Umsetzung würde noch teurer als von der Borchert-Kommission angenommen!

Die Borchert-Kommission ging im Februar 2020 davon aus, dass der skizzierte Umbau einen Finanzbedarf in Höhe von 1,2 Mrd. € (2025), 2,4 Mrd. € (2030) und 3,6 Mrd. € (2040) mit sich brächte. Demgegenüber gehen die Autor*innen der Machbarkeitsstudie von einem nochmal deutlich erhöhten Finanzbedarf aus: von 2,9 Mrd. Euro in 2025 (+58,62 %), 4,3 Mrd. Euro in 2030 (+44,19 %) und 4,0 Mrd. Euro in 2040 (+10,00 %).

Allerdings ist die Kostenaufstellung in der Machbarkeitsstudie – wie auch schon in den Borchert-Empfehlungen – sehr oberflächlich. Es wird nicht ersichtlich, wie der Finanzbedarf im Detail ermittelt wurde und wie er sich jährlich entwickeln würde bzw. wie hoch der Gesamt-Finanzbedarf über den gesamten Zeitraum wäre. Auch Kosten für etwaige flankierende Sozialmaßnahmen werden nicht mit einberechnet. So muss davon ausgegangen werden, dass es noch teurer würde.

Trifft die Machbarkeitsstudie gesicherte Aussagen hinsichtlich positiver Klima- und Umweltpotentiale der Borchert-Empfehlungen?

Nein, das tut sie nicht.

Die Autor*innen suggerieren zwar in der Machbarkeitsstudie an einigen Stellen, dass die Umsetzung der Borchert-Empfehlungen positive Effekte für Umwelt und Klima hätten. Beispielweise philosophieren sie in höchstem Rechtsdeutsch, dass „sich Anhaltspunkte [zeigen], dass die Maßnahmen zur Erfüllung von Tierwohl und solche zur Erfüllung von Umwelt- und Klimaanforderungen in mehrfacher Hinsicht wirkungskongruent sind.“

Effektiv bleiben sie aber belastbarer Aussagen schuldig. Vielmehr noch, geben sie an anderer Stelle zu, dass „im Rahmen dieser Studie lediglich Tendenzaussagen gemacht werden können. Für eine Quantifizierung solcher Wirkungen wären weitere umfassende technische Analysen der relevanten Produktionssysteme erforderlich“. Ergo: Die positiven Auswirkungen sind zum gegenwärtigen Stand nur spekulativ.

Die Anhaltspunkte, dass diese spekulativen positiven Auswirkungen auf Umwelt und Klima nicht eintreten, sind dagegen sehr deutlich. Denn: eine deutliche Reduktion der Tierbestände ist nicht vorgesehen. So schreiben die Autor*innen mit Verweis auf ein Gutachten für Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft, das eine Aufhebung der Umsatzsteuervergünstigung für tierische Produkte untersuchte, lediglich von einer „Mengenreduktion in Höhe von 4-11 % bei Fleischprodukten, 2-11 % bei Milchprodukten und 2-8 % bei Eiern und Eiprodukten.“

Wie ist der weitere Zeitplan zur Umsetzung der Borchert-Empfehlungen nach der Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie?

Das ist nicht klar.

Bundesministerin Klöckner betonte seit letztem Jahr regelmäßig, dass sie eine Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode anstrebe, dafür jedoch zunächst die Machbarkeitsstudie vorliegen müsse. Nun liegt diese vor, jedoch ergibt sich aus der Machbarkeitsstudie direkt noch kein konkreter Zeitplan für das weitere Vorgehen. Zudem lässt auch die Machbarkeitsstudie an einigen Stellen noch Fragen offen, etwa mit Bezug auf die Schaffung nötiger Rahmenbedingungen auf EU-Ebene.

Ministerin Klöckner betonte in der Pressekonferenz, dass es nun vielmehr eine politische Frage sei, ob und wie die Borchert-Empfehlungen umgesetzt werden. Auf die Frage eines Journalisten, ob die Umsetzung noch innerhalb der laufenden Legislaturperiode zu erwarten sei, antwortet Ministerin Klöckner ausweichend – die Aussage „das Korsett Wahltermin ist nicht entscheidend“ lässt darauf schließen, dass sie selbst nicht mehr davon ausgeht.

Hintergrundinformationen zur Borchert-Kommission

Bundesagrarministerin Julia Klöckner verspricht seit Amtsbeginn, die Nutztierhaltung umzubauen. Für diesen Zweck hat sie 2019 die sogenannte Borchert-Kommission eingesetzt, deren offizielle Bezeichnung „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ lautet. Im Februar 2020 hat die Borchert-Kommission ihre Empfehlungen vorgelegt: eine zusätzliche Förderung der Tierwirtschaft in Höhe von 1,2 bis 3,6 Mrd. Euro jährlich bis 2040 zur Finanzierung von Tierwohl-Maßnahmen. Seitdem hat Julia Klöckner eine rasche Umsetzung der Empfehlungen zugesagt – den Worten sind bislang allerdings keine Taten gefolgt. In diesem Artikel stellen wir einige Hintergrundinformationen zur Borchert-Kommission zusammen, darunter: Welchen Auftrag hat die Borchert-Kommission? Wer ist in der Borchert-Kommission vertreten? Was passiert mit den Empfehlungen der Borchert-Kommission?

Welchen Auftrag hat die Borchert-Kommission?

Das BMEL hat der Borchert-Kommission folgende Aufgaben übertragen:

  • „Die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen aus allen Bereichen der Nutztierhaltung zu analysieren und Lösungswege für das BMEL vorzuschlagen.
  • Ansätze für die Verbesserung der gesellschaftlichen Akzeptanz der Nutztierhaltung in Deutschland aufzuzeigen und
  • Ideen und Vorschlägen zur Weiterentwicklung und Umsetzung der Nutztierstrategie zu entwickeln und dem BMEL vorzuschlagen.“1

Ein zentraler Ausgangspunkt der Borchert-Kommission für diese Aufgaben ist nach eigenen Angaben, „dass die Nutztierhaltung in Deutschland eine nachhaltige wirtschaftliche Perspektive haben sollte“. Zu diesem Zweck soll ein „gesellschaftlicher Konsens für eine verbindliche Umorientierung in Richtung auf eine substantielle Erhöhung des Tierwohlniveaus bei möglichst geringen Umweltwirkungen“ erlangt werden.2

Warum wurde die Borchert-Kommission eingesetzt?

Die Borchert-Kommission knüpft an die Nutztierhaltungsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) an, die der damalige Minister Christian Schmidt (CSU) im Juni 2017 vorgestellt hat. Die Union und SPD hatten die Nutztierhaltungsstrategie 2018 in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen und beschlossen, diese fortan „Nutztierstrategie“ genannten Umbaupläne weiterzuentwickeln. Zu diesem Zweck hat Ministerin Klöckner (CDU), als Nachfolgerin von Minister Schmidt im BMEL, 2019 die Borchert-Kommission eingesetzt.3

Dass die „Nutztier“-Haltung in der Krise ist und weitreichende Probleme mit sich bringt, ist daher offensichtlich mittlerweile auch in konservativen Kreisen angekommen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Union (CDU/CSU) in der bundesdeutschen Geschichte die längste Zeit das Bundesagrarministerium geführt hat, aktuell ununterbrochen seit 2005. Damit sind sie maßgeblich für das Zustandekommen der gegenwärtigen Zustände mitverantwortlich. Dieser Umstand muss benannt werden, wenn Ministerin Klöckner und die Union nun vorgeben, die Tierhaltung in Richtung mehr Tier- und Umweltschutz umbauen zu wollen.

Wer ist in der Borchert-Kommission vertreten?

Die Leitung der Borchert-Kommission liegt bei Jochen Borchert, ehemaliger Bundesagrarminister (CDU) sowie Präsident des Deutschen Jagdschutz-Verbandes (DJV) und Vorsitzender des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen e.V. Köln, und gegenwärtig noch Ehrenvorsitzender der Jägerstiftung natur+mensch.4 Durch seine Leitung hat sich der umgangssprachlicher Name „Borchert-Kommission“ etabliert.

Bei der Zusammensetzung des Gremiums hat das BMEL das Ziel verfolgt, dass „Entscheidungsträger und Fachleute aus Politik, Wissenschaft, Praxis, Wirtschaft und Verbänden“ vernetzt werden. Laut Geschäftsordnung setzt sich die Borchert-Kommission wie folgt zusammen5:

  • 6 Vertreter der Länder,
  • 6 Vertreter der Wissenschaft,
  • 4 Vertreter der Tierhalter,
  • 8 Vertreter der Wirtschaftsverbände,
  • 4 Vertreter der Verbände des Verbraucher-, Tier- und Umweltschutzes und des Veterinärwesens,
  • Vertreter des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung (haben das Recht, sich zu den Tagesordnungspunkten zu äußern).

Konkret sind laut BMEL folgende Organisationen vertreten:

  • Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg
  • Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
  • Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern, Abteilung Landwirtschaft und ländliche Räume
  • Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
  • Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein
  • Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Thünen Institut
  • Friedrich-Loeffler-Institut
  • Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit
  • Universität Kassel
  • Humboldt-Universität zu Berlin
  • Tierärztliche Hochschule Hannover
  • Georg-August-Universität Göttingen
  • Deutscher Bauernverband
  • Deutscher Raiffeisenverband
  • Bundesverband Rind und Schwein
  • Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V.
  • Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft – AbL
  • Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels
  • Verband der Fleischwirtschaft
  • Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V.
  • Bund der Deutschen Landjugend e.V.
  • Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
  • Bundestierärztekammer e.V.
  • Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
  • Bundesinformationszentrum Landwirtschaft
  • Bundesprogramm Nutztierhaltung
  • Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
  • Sowie „Praktiker“ und „Betriebsleiter“

Ehemals eingeladen war der Deutsche Tierschutzbund, der in der konstituierenden Sitzung den Verzicht auf seine Teilnahme bekannt gab. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) war aktives Mitglied und verkündete am 11. Februar 2020 ebenfalls, seine Mitarbeit zu beenden.6

In der Öffentlichkeitsarbeit wird Julia Klöckner nicht müde zu betonen, dass die Borchert-Kommission dazu beitragen soll, einen gesellschaftlichen Konsens zu erarbeiten. Es ist nicht nachvollziehbar, wie angesichts dieser Zusammensetzung ein Konsens erreicht werden sollte, sind doch vor allem Profiteur*innen und Funktionär*innen vertreten und stellen Vertreter*innen der Zivilgesellschaft eine marginale Minderheit.

Wie arbeitet die Borchert-Kommission?

Die Borchert-Kommission konstituierte sich Anfang April 2019 auf Einladung von Bundesagrarministerin Julia Klöckner, die Arbeit nahm es am 9. Juli 2019 auf. Es verfügt über die Unterstützung einer Geschäftsstelle „Umsetzung des Bundesprogramms Nutzierhaltung“ (BUNTH), die die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Bonn eingerichtet hat.7

Allzu viel weiteres ist allerdings nicht bekannt über die Arbeitsweise der Borchert-Kommission. Sie arbeitet sehr intransparent, ihre Termine werden nicht öffentlich angekündigt, Protokolle nicht zugänglich gemacht. Es ist unklar, wer die einzelnen Organisationen vertritt, welche Arbeitsgruppen eingesetzt wurden, wie die Entscheidungsfindung erfolgt. Es ist nicht nachvollziehbar, wie Julia Klöckner angesichts einer solch intransparenten Arbeitsweise einen gesellschaftlichen Konsens erarbeiten möchte.

Was empfiehlt die Borchert-Kommission?

Am 11. Februar 2020 veröffentlichte die Borchert-Kommission 20-seitige Empfehlungen an Ministerin Klöckner zur Weiterentwicklung der Nutztierstrategie des BMEL.8 Konkret schlägt die Borchert-Kommission sieben Maßnahmen vor, die zu einer vollständigen Überführung der deutschen Nutztierhaltung in Stufe 2 der geplanten Tierwohlkennzeichnung des BMEL führen sollen. Dabei sieht Stufe 2 (mit der Bezeichnung „verbesserte Ställe“) vor: „zusätzlicher Platz, Strukturierung, Klimazonen möglichst mit Kontakt zu Außenklima, teilweise Planbefestigung u. a., Neubauten mit Kontakt zum Außenklima, Umbauten möglichst mit Kontakt zu Außenklima“. Darüber hinaus soll auch in Stufe 3 („Premium“) ein „hinreichend großer“ Marktanteil erreicht werden.

Der vorgeschlagene Zeitplan sah noch im Jahr 2020 die Einführung einer staatlichen Tierwohlkennzeichnung bei Schweinen (2021 Erweiterung auf Geflügel, Verarbeitungseier, Rindfleisch und Milch), die Überarbeitung der Förderrichtlinien für Investitionsförderung und Tierwohlprämien, den Beschluss einer Finanzierungsstrategie für eine Erhöhung des Tierwohls durch den Deutschen Bundestag sowie den Start eines bundeseinheitlichen Tierwohl-Förderrahmens. Dieser Zeitplan ist als gescheitert anzusehen.

Darüber hinaus wurden für die Jahre 2025, 2030 sowie 2040 Meilensteine definiert:

  • 2025: Einführung einer verpflichtenden Tierwohlkennzeichnung auf EU-Ebene sowie Ziele für die Tierwohlstufen:
    • Schwein: Mindestens 50 % der Produktion in Stufe 1 oder höher. Mindestens 10 % in Stufe 2 oder höher.
    • Eier, Geflügel, Milch und Rind: ähnlich wie für Schwein.
  • 2030: Ziele für die Tierwohlstufen:
    • Alle Tierarten: Stufe 1 gesetzlicher Mindeststandard.
    • Schwein: Mindestens 40 % der Produktion in Stufe 2 oder höher.
    • Eier, Geflügel, Milch und Rind: ähnlich wie für Schwein.
  • 2040: Ziele für die Tierwohlstufen:
    • Alle Tierarten: Stufe 2 wird gesetzlicher Mindeststandard.
    • Marktanteil in Stufe 3 von mindestens 10 %.

Hinsichtlich der Finanzierung der Maßnahmen schätzt die Borchert-Kommission einen dauerhaften Bedarf von mehreren Mrd. Euro jährlich: 2025 1,2 Mrd. €, 2030 2,4 Mrd. € und 2040 3,6 Mrd. €. Offen blieb die Frage der Finanzierung. Die Borchert-Kommission hat mehrere Finanzierungsoptionen diskutiert und kommt zu der Einschätzung, dass eine mengenbezogene Abgabe auf tierische Produkte die bestgeeignete Lösung sei. Dabei verwies die Borchert-Kommission gleichzeitig darauf, dass es dafür noch einer externen Machbarkeitsstudie und Folgenabschätzung bedürfe.

Aus unserer Perspektive sind die Borchert-Empfehlungen gänzlich ungeeignet, die Probleme im Zusammenhang mit der „Nutztier“-Haltung zu beheben. Zum einen würden die vorgeschlagenen Maßnahmen den bestehenden Zustand in den Ställen für die Tiere nur minimal verändern – in diesem Kontext von „Tierwohl“ zu sprechen, ist an sich schon irreführend. Zum anderen ist eine Reduktion der Tierbestände in den Borchert-Empfehlungen nicht vorgesehen. Tatsächlich ist eine Umsetzung der Empfehlungen mit einer Beibehaltung der derzeitigen Bestände gut vereinbar und wird auch von einigen Akteur*innen gefordert.9 Vor diesem Hintergrund sind die Maßnahmen auch im Hinblick auf die Umweltschutzvorhaben als klar ungeeignet zu bewerten – ohne Abbau der Tierbestände ist die nötige deutliche Verringerung der Treibhausgasemissionen ebenso wenig machbar wie ein effektiver Umgang mit den vielen weiteren Umweltproblemen.

Was passiert mit den Empfehlungen der Borchert-Kommission?

Das Gremium hat beratende Funktion und soll vor allem dazu beitragen, einen gesellschaftlichen Konsens sicherzustellen. Die Empfehlungen sind daher nicht bindend, eine Umsetzung obliegt dem BMEL bzw. der Bundesregierung sowie dem Bundestag.

Am 04.07.2020 hat der Bundestag für die Umsetzung der Borchert-Empfehlungen gestimmt und der Bundesregierung den Auftrag erteilt, noch in dieser Legislaturperiode eine Strategie zur Umsetzung der Vorschläge zu erarbeiten und dem Bundestag vorzulegen.10

Daraufhin hat das BMEL eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben – allerdings erst Monate später, im Spätherbst 2020.11 Unterdessen arbeiteten die Arbeitsgruppen der Borchert-Kommission weiter an Details ihrer Umbauvorschläge, unter anderem an den „Tierwohl“-Kriterien. Ein vorgesehenes Arbeitstreffen der Borchert-Kommission am 12.02.2021, zu dem auch eigentlich die Machbarkeitsstudie vorliegen sollte, wurde jedoch vom BMEL auf unbestimmte Zeit verschoben. Am 20. Februar 2021 hat das BMEL nun eine Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie bis zum 02. März in Aussicht gestellt.12

Aufgrund der verzögerten Auftragsvergabe für die Erarbeitung der Machbarkeitsstudie und einer erneuten Verzögerung bei der Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie wurde das BMEL von verschiedenen Seiten kritisiert.1314 Auch von den Bundesländern: So hat das Land Niedersachsen inzwischen eine Entschließung in den Bundesrat eingebracht, die den Bund auffordert, noch vor der Bundestagswahl erste Schritte zur Umsetzung der Borchert-Empfehlungen umzusetzen – der Bundesrat soll am 5. März darüber entscheiden.15

Quellen und weitere Informationen

1 https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/nutztiere/umbau-nutztierhaltung.html

2 https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Nutztiere/200211-empfehlung-kompetenznetzwerk-nutztierhaltung.pdf?__blob=publicationFile&v=2

3 https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/kloeckner-holt-ex-agrarminister-borchert-ins-bmel-10561277.html

4 https://www.jaegerstiftung.de/ueber-uns/menschen

5 Quelle: E-Mail vom 13.01.2021

6 https://www.vzbv.de/pressemitteilung/borchert-komission-gute-vorschlaege-keine-ueberzeugende-finanzierung

7 https://www.ble.de/SharedDocs/Meldungen/DE/2019/190403_Kompetenznetzwerk-Nutztierhaltung.html

8 https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Nutztiere/200211-empfehlung-kompetenznetzwerk-nutztierhaltung.pdf?__blob=publicationFile&v=2

9 https://docplayer.org/198428091-Memorandum-des-agrar-und-ernaehrungsforums-oldenburger-muensterland-e-v-zu-den-borchert-empfehlungen.html

10 https://www.topagrar.com/schwein/news/borchert-kommission-bundestag-stimmt-fuer-umbau-der-tierhaltung-12103877.html

11 https://www.wochenblatt-dlv.de/politik/borchert-kommission-kritik-verspaeteter-studie-564280

12 https://www.bmel.de/SharedDocs/Meldungen/DE/Presse/2021/210220-machbarkeitsstudie.html

13 https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/cdu-und-spd-setzen-in-der-agrarpolitik-auf-attacke-12443524.html

14 https://www.topagrar.com/schwein/news/tierschutzbund-warnt-vor-verzoegerungen-beim-umbau-der-tierhaltung-12488578.html

15 https://www.topagrar.com/schwein/news/bmel-erwartet-machbarkeitsstudie-in-den-naechsten-zehn-tagen-12484360.html

Beitragsbild: Bundesministerin Julia Klöckner bei konstituierender Sitzung des Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung Bonn. © BMEL

Tierindustrie: Ausstieg statt Umbau!

Jedes Jahr fließen viele Milliarden Euro aus öffentlichen Geldern in die Tierindustrie – und finanzieren dadurch Tierfabriken, die die Klimakrise anheizen, Menschen ausbeuten, enormes Tierleid verursachen und unser aller Gesundheit gefährden. Um wie viel Geld es geht, zeigt erstmals eine Studie, die wir vom Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ am 5. März veröffentlichen.

Anstatt die zerstörerische Industrie endlich abzubauen, will die Bundesregierung nun nach den Empfehlungen der Borchert-Kommission zusätzliche 1,2 bis 3,6 Milliarden Euro jährlichin diese Branche leiten, um den Umbau von Ställen und verschiedene „Tierwohl“-Maßnahmen zu finanzieren. Auf diese Weise werden aber die Probleme keineswegs behoben, im Gegenteil – denn ein deutlicher Abbau der Tierbestände ist von der Borchert-Kommission nicht vorgesehen. Solange wir weiterhin so viele Rinder, Schweine, Hühner und Puten nutzen und töten, können wir die Treibhausgase aus der Landwirtschaft nicht wirksam reduzieren.

Am Freitag, dem 5.3.2021, werden wir uns daher um 10 Uhr in Berlin versammeln. Die angemeldete Kundgebung beginnt um 10 Uhr vor dem Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (Wilhelmstraße 54, 10117 Berlin). Wir fordern den Ausstieg aus der Tierindustrie, denn ein Umbau reicht nicht!

Kommt mit uns auf die Straße, seid laut, tragt eure Mund-Nasen-Schutzmaske /FFP2 Maske und haltet den Mindestabstand zueinander ein.

Gemeinsam wollen wir ein Zeichen setzen gegen die zusätzliche Förderung der Tierindustrie, gegen die damit einhergehende Förderung von Ausbeutung und ökologischer Zerstörung!

Für eine ökologische und solidarische Agrarwende, JETZT!

SYSTEM CHANGE NOT CLIMATE CHANGE