Kommentar zur Borchert-Machbarkeitsstudie

Heute, am 02. März, veröffentlichte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) die „Machbarkeitsstudie zur rechtlichen und förderpolitischen Begleitung einer langfristigen Transformation der deutschen Nutztierhaltung“ . In diesem Kommentar zur Borchert-Machbarkeitsstudie schauen wir uns an, welches die zentralen Punkte sind.

Umfangreiche Infos zur Borchert-Kommission (auch Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung genannt) haben wir in einem separaten Hintergrund-Artikel veröffentlicht – dort führen wir auch aus, warum ihre Empfehlungen vom Februar 2020 gänzlich ungeeignet dafür sind, die Probleme im Zusammenhang mit der „Nutztier“-Haltung zu beheben.

Link zur Machbarkeitsstudie der Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs

Welche Finanzierungsmöglichkeiten empfehlen die Autor*innen der Machbarkeitsstudie?

Die Autor*innen sprechen sich wegen geringerer Verwaltungskosten für die Option der Anhebung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für tierische Produkte aus.

Darüber hinaus erachten die Autor*innen der Machbarkeitsstudie folgende Optionen als ebenfalls denkbar:

  • Allgemeine Steuermittel
  • Verbrauchsteuer auf tierische Produkte (von Borchert-Kommission präferiert)
  • Ergänzungsabgabe Tierwohl (vom Borchert-Kommission nicht in Betracht gezogen)

Als nicht zielführend erachten die Autor*innen eine „Sonderabgabe Tierwohl“ sowie die Umwandlung von EU-Direktzahlungen.

Dabei geben die Autor*innen zu, dass selbst bei der von ihnen empfohlenen Option noch Fragen offen bleiben. Insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit einer Zweckbindung der Steuer zum Zweck des Umbaus der Tierhaltung sehen die Autor*innen noch Schwierigkeiten. So schreiben sie, dass „im Falle einer Zweckbindung sowohl eine Verbrauchsteuer als auch eine Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes Zweifel an der Vereinbarkeit der Finanzierung mit Art. 30 bzw. 110 AEUV aufwerfen“. Diesem Umstand könnte laut den Autor*innen dadurch begegnet werden, dass die Borchert-Empfehlungen nicht lediglich durch Mehreinnahmen aus Steuern auf tierische Produkte, sondern vielmehr durch Steuererhöhungen auf sämtliche derzeit dem ermäßigten Satz unterliegende Lebensmittel finanziert würde. Somit würden auch pflanzliche Produkte teurer, um die Aufrechterhaltung der Tierindustrie mitzufinanzieren!

Wie teuer würde die Umsetzung der Borchert-Empfehlungen werden?

Eine vollständige Antwort liefert auch die Machbarkeitsstudie nicht. Jedoch wird klar: die Umsetzung würde noch teurer als von der Borchert-Kommission angenommen!

Die Borchert-Kommission ging im Februar 2020 davon aus, dass der skizzierte Umbau einen Finanzbedarf in Höhe von 1,2 Mrd. € (2025), 2,4 Mrd. € (2030) und 3,6 Mrd. € (2040) mit sich brächte. Demgegenüber gehen die Autor*innen der Machbarkeitsstudie von einem nochmal deutlich erhöhten Finanzbedarf aus: von 2,9 Mrd. Euro in 2025 (+58,62 %), 4,3 Mrd. Euro in 2030 (+44,19 %) und 4,0 Mrd. Euro in 2040 (+10,00 %).

Allerdings ist die Kostenaufstellung in der Machbarkeitsstudie – wie auch schon in den Borchert-Empfehlungen – sehr oberflächlich. Es wird nicht ersichtlich, wie der Finanzbedarf im Detail ermittelt wurde und wie er sich jährlich entwickeln würde bzw. wie hoch der Gesamt-Finanzbedarf über den gesamten Zeitraum wäre. Auch Kosten für etwaige flankierende Sozialmaßnahmen werden nicht mit einberechnet. So muss davon ausgegangen werden, dass es noch teurer würde.

Trifft die Machbarkeitsstudie gesicherte Aussagen hinsichtlich positiver Klima- und Umweltpotentiale der Borchert-Empfehlungen?

Nein, das tut sie nicht.

Die Autor*innen suggerieren zwar in der Machbarkeitsstudie an einigen Stellen, dass die Umsetzung der Borchert-Empfehlungen positive Effekte für Umwelt und Klima hätten. Beispielweise philosophieren sie in höchstem Rechtsdeutsch, dass „sich Anhaltspunkte [zeigen], dass die Maßnahmen zur Erfüllung von Tierwohl und solche zur Erfüllung von Umwelt- und Klimaanforderungen in mehrfacher Hinsicht wirkungskongruent sind.“

Effektiv bleiben sie aber belastbarer Aussagen schuldig. Vielmehr noch, geben sie an anderer Stelle zu, dass „im Rahmen dieser Studie lediglich Tendenzaussagen gemacht werden können. Für eine Quantifizierung solcher Wirkungen wären weitere umfassende technische Analysen der relevanten Produktionssysteme erforderlich“. Ergo: Die positiven Auswirkungen sind zum gegenwärtigen Stand nur spekulativ.

Die Anhaltspunkte, dass diese spekulativen positiven Auswirkungen auf Umwelt und Klima nicht eintreten, sind dagegen sehr deutlich. Denn: eine deutliche Reduktion der Tierbestände ist nicht vorgesehen. So schreiben die Autor*innen mit Verweis auf ein Gutachten für Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft, das eine Aufhebung der Umsatzsteuervergünstigung für tierische Produkte untersuchte, lediglich von einer „Mengenreduktion in Höhe von 4-11 % bei Fleischprodukten, 2-11 % bei Milchprodukten und 2-8 % bei Eiern und Eiprodukten.“

Wie ist der weitere Zeitplan zur Umsetzung der Borchert-Empfehlungen nach der Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie?

Das ist nicht klar.

Bundesministerin Klöckner betonte seit letztem Jahr regelmäßig, dass sie eine Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode anstrebe, dafür jedoch zunächst die Machbarkeitsstudie vorliegen müsse. Nun liegt diese vor, jedoch ergibt sich aus der Machbarkeitsstudie direkt noch kein konkreter Zeitplan für das weitere Vorgehen. Zudem lässt auch die Machbarkeitsstudie an einigen Stellen noch Fragen offen, etwa mit Bezug auf die Schaffung nötiger Rahmenbedingungen auf EU-Ebene.

Ministerin Klöckner betonte in der Pressekonferenz, dass es nun vielmehr eine politische Frage sei, ob und wie die Borchert-Empfehlungen umgesetzt werden. Auf die Frage eines Journalisten, ob die Umsetzung noch innerhalb der laufenden Legislaturperiode zu erwarten sei, antwortet Ministerin Klöckner ausweichend – die Aussage „das Korsett Wahltermin ist nicht entscheidend“ lässt darauf schließen, dass sie selbst nicht mehr davon ausgeht.