„Butchering the Planet“ – wie Banken die klimaschädliche Tierindustrie finanzieren

Die britische Organisation Feedback hat eine Studie veröffentlicht, wie Banken die klimaschädliche Tierindustrie finanzieren. Unter dem Titel „Butchering the planet: The big-name financiers bankrolling livestock corporations and climate change“ untersucht Feedback, welche Finanz-Player am stärksten investieren und auf welche Summe sich das Finanzvolumen beläuft.

Das Ergebnis: In den Jahren 2015 bis 2020 erhielten die globalen Player der Tierindustrie über 478 Milliarden Dollar von mehr als 2.500 Investmentfirmen, Banken und Pensionsfonds aus der ganzen Welt. Die größten Player sind Blackrock, die Capital Group and die Vanguard Group. Diese zählen zu den größten Vermögensverwaltern der Welt und investieren auch massiv in andere klimaschädliche Bereichen. Von den deutschen Unternehmen sticht die Deutsche Bank hervor, die sowohl zu den 15 größten Investor*innen wie auch den 15 größten Kreditgeber*innen der Tierindustrie zählt.

Die 15 größten Kreditgeber*innen der Tierindustrie; die Deutsche Bank liegt auf Platz 12.
Die 15 größten Investor*innen der Tierindustrie; die Deutsche Bank liegt auf Platz 15.

Feedback schließt die Studie mit dem Fazit:

We have reached peak livestock. Industrial meat and dairy production are utterly incompatible with a safe, ecologically sustainable life on earth. JBS, Cargill and Tyson are businesses as damaging to our planet as the fossil fuel industry. There is no version of industrial animal agriculture that is compatible with climate justice and a zero-carbon future.

Analog zu „Peak Oil“ spricht Feedback von „Peak Livestock“ – ab jetzt kann es nur einen Weg geben, und zwar den Ausstieg aus der Tierindustrie. Denn: die Tierindustrie ist völlig inkompatibel mit einer ökologisch verträglichen Lebensmittelproduktion. Es gibt keine Version der Tierindustrie, die mit Klimagerechtigkeit vereinbar ist.

Weitere Informationen

08.07.2020, Feedback: Butchering the planet – The big-name financiers bankrolling livestock corporations and climate change

Corona-Ausbrüche bei Allfrisch, Tönnies und Vion. Die Industrie riskiert weitere Ausbrüche in Schlachthöfen und Fleischfabriken

Nachdem die erste Welle heftiger Corona-Ausbrüche in Schlacht- und Fleischbetrieben im Sommer abgeklungen war, haben sich in den letzen Tagen wieder hunderte Schlachthofarbeiter*innen, vor allem Werkvertragsbeschäftigte, mit dem Corona-Virus infiziert.

Beim Fleischverarbeiter Allfrisch in Emsdetten (Landkreis Steinfurt) mussten 300 Beschäftigte in Quarantäne, nachdem 77 Arbeiter*innen positiv auf das Corona-Virus getestet wurden. Am Standort werden täglich 20.000 Puten verarbeitet. Der Betrieb gehört zur Sprehe-Gruppe, die mit der Geflügelfleischproduktion einen Umsatz von 780 Mio. Euro erwirtschaftet. Der Konzern stand in den vergangenen Jahren mehrfach aufgrund der Ausbeutung von Arbeiter*innen und Tierquälerei in der Kritik. 2013 prellte ein Subunternehmer hunderte Werkvertragsbeschäftigte um ihren Lohn und strich mindestens 3,3 Mio. Euro ein. Der Konzern wollte nicht gewusst haben, „wie dieser Vertragspartner seine Leistung organisiert“ und sah sich in Emsdetten mit Protesten konfrontiert. 2015 berichtete der Spiegel über Verstöße gegen Tierschutzauflagen in sechs Mastanlagen der Sprehe-Gruppe, nachdem PETA Deutschland Recherchen in den Betrieben durchführte.

Beim Tönnies-Schlachthof Weidemark in Sögel (Landkreis Emsland) wurden Anfang Oktober 112 Corona-Fälle gemeldet. 2.000 Arbeiter*innen sind hier beschäftigt, ein Großteil Werkvertragsarbeiter*innen aus Rumänien. Tönnies investierte zuletzt 60 Mio. Euro in den Schlachthof, um die Exportkapazität des Konzerns zu erhöhen. Aus Sögel wird vor allem Fleisch nach China verkauft. Der Landkreis reagierte auf den Corona-Ausbruch mit einer Einschränkung des öffentlichen Lebens, so wurden Veranstaltungen und der Schulsport in Sögel untersagt. Nachdem die Produktion zunächst nur geringfügig eingeschränkt wurde, verfügte der Landrat eine Schließung des Schlachthofs für mindestens drei Wochen, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Tönnies geht mittlerweile gerichtlich gegen die Infektionsschutzmaßnahme vor und spricht von einem unverhältnismäßigem Vorgehen.

Ebenfalls von einem Corona-Ausbruch betroffen ist der Schlachtkonzern Vion. 63 positiv getestete Mitarbeiter*innen vermeldete der deutsch-niederländische Konzern am Standort Emstek (Landkreis Cloppenburg). Vion musste im April den Schlachthof Bad Bramstedt vorübergehend schließen und geriet aufgrund der Behandlung und Unterbringung der Werkvertragsarbeiter*innen in die Kritik. Auch in den Niederlanden wurden zwei Schlachthöfe vorübergehend geschlossen, unter anderem weil Vion gegen Corona-Schutzauflagen verstieß und Mitarbeiter*innen in überfüllten Kleinbussen in die Schlachtfabriken transportieren ließ.

Auch die kontinuierlichen Massentestungen der Beschäftigten, die von Landesregierungen und teils von den Unternehmen selbst verfügt wurden, konnten offenbar nicht verhindern, dass es zu den erneuten Massenausbrüchen kam. Einmal im Betrieb, breitet sich das Corona-Virus offenbar rasant aus. Neben den widrigen Arbeitsbedingungen und den beengten Wohnverhältnissen der Werktragsbeschäftigten sind es laut Medizinern auch die konstant kalten Temperaturen der Arbeitsstätten, die eine Ausbreitung begünstigten. Zudem erhöhten mehrere Schlachtbetriebe, darunter der Tönnies-Schlachthof in Sögel, die Produktion, um die Reduzierung der Kapazitäten aufgrund früherer Corona-Ausbrüche aufzufangen.

Unter diesen Bedingungen ist es nur eine Frage der Zeit, bis weitere Meldungen über Corona-Ausbrüche in Fleischbetrieben Schlagzeilen machen.

Quellen und weitere Informationen

08.10.2020, WDR: Nach Corona-Ausbruch: Auflagen für Emsdettener Geflügel-Betrieb

08.10.2020, AgrarHeute.de: Tönnies muss Schlachthof Sögel für 22 Tage schließen

07.10.2020, TopAgrarOnline: Neue Ansteckungswelle – 63 Arbeiter im Vion-Schlachthof Emstek mit Corona infiziert

PHW-Wiesenhof: Profitstreben und Greenwashing mit veganen Ersatzprodukten

Der größte deutsche Geflügelkonzern hat eine neue Marke mit Fleischersatzprodukten auf den Markt gebracht: „Green Legend“ – unter dem Motto „fleischlos genießen – schmeckt legendär“.

Demaskiert: Profitstreben und Greenwashing statt Sinneswandel

Die Öffnung hin zu pflanzenbasierten Lebensmittel dieses Konzerns, der jährlich Milliarden Euro an der Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt verdient, darf dabei jedoch nicht als Beitrag zu einer längst fälligen Agrarwende verstanden werden. Stattdessen geht mit dem Ausbau der Herstellung von industriellen Pflanzenprodukten eine kontinuierliche Erhöhung der Hühnerschlacht-Kapazitäten einher: PHWs Kerngeschäftsfeld „Geflügelspezialitäten“ ist im Jahr 2019 um 4,1 Prozent von rund 1,40 Mrd. Euro auf 1,46 Mrd. Euro gewachsen.

Statt eines Sinneswandels steckt hinter diesen Entwicklungen, dass sich in diesen Absatzmärkten große Profite generieren lassen. So wird der Marketing-Geschäftsführer von PHW-Wiesenhof in der begleitenden Pressemitteilung mit den Worten zitiert: „Der Gesamtmarkt für Fleischersatz-Produkte boomt. Im 1. Halbjahr 2020 ist der Absatz um 64,9% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen – wir sehen in diesem Marktsegment noch viel Potenzial.“

Zudem bietet das Marketing dem Konzern eine Möglichkeit, seine Außendarstellung aufzupolieren und in den Augen der Öffentlichkeit einen Beitrag zur Schaffung einer besseren Welt zu leisten. So wird die Produkteinführung mit einer Bewegtbild-Kampagne begleitet, inklusive eines knapp 30-sekündigen TV-Werbespots, Kooperationen mit Influencern auf Social Media und einer „groß angelegten, besonderen Aktion zur Einführung mit Sponsoring-Partner Werder Bremen“. Nach der breiten medialen Berichterstattung über die Corona-Ausbrüche in seinen Schlachthöfen und die angekündigten politischen Reformen wird PHW damit aller Voraussicht nach positive Berichterstattung generieren können.

Strategische Ausrichtung des Konzerns

Mit der neuen Marke setzt PHW seine Strategie der Erschließung des Marktes für Fleischersatzprodukte fort, die auf vier Säulen basiert:

  1. Firmen-eigene vegane Produktlinie, die 2015 geschaffen wurde und zu der nun auch „Green Legend“ zählt.
  2. Vertriebspartnerschaften, unter anderem mit Unternehmen wie Beyond Meat oder Eat JUST.
  3. Strategischen Beteiligungen, unter anderem an den Unternehmen SuperMeat, Gathered Foods, Bugfoundation und Redefine Meat.
  4. Joint Venture Green Meadows mit dem Unternehmen Livekindly.

Der PHW-Konzern schafft es so, weiter zu wachsen und seinen Einfluss im Lebensmittelsektor auszuweiten – und damit auch seine Fleischproduktion abzusichern und sein Image aufzupolieren. Solange die Tierindustrie mit PHW und Co. weiterhin ungehindert agieren können, wird die Schaffung einer gerechten Landwirtschaft in weiter Ferne bleiben.

Weitere Informationen:

02.10.2020, PHW-Wiesenhof: PHW-Gruppe führt neue plant-based Food-Marke ein: „Green Legend“ ist die pflanzliche Antwort auf Fleisch

02.10.2020, agrarheute: Wiesenhof lässt „Fischstäbchen“ auf dem Acker wachsen

02.10.2020, Lebensmittel Praxis: PHW-Gruppe: Green Legend als neue vegane Produktlinie

30.03.2020, PHW-Wiesenhof: PHW-Gruppe stellt neue Weichen für vielfältige Ernährung

Produktseite von Green Legend

Unsere Hintergrundseite „Die PHW-Gruppe“

Werkverträge in der Fleischindustrie: DGB veröffentlicht Studie zu Rechtmäßigkeit eines Verbots

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) haben gemeinsam ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Vereinbarkeit des Verbots von Werkverträgen und Leiharbeit mit dem Grundgesetz untersucht.

Anlass für das Gutachten waren die wiederkehrenden Behauptungen der Fleischindustrie, dass ein solches Verbot nicht verfassungskonform umgesetzt werden könne. Erst kürzlich kommentierte Jutta Krellmann, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit der Linksfraktion im Bundestag, die Lobbytätigkeiten der Fleischindustrie: „Bisher konnten die Lobbyisten der Fleischindustrie noch jeden Gesetzentwurf auf Kosten der Beschäftigten verwässern“.

In dem nun vorliegenden Gutachten kam der Autor Prof. Dr. Wolfgang Däubler von der Universität Bremen zu dem Schluss, dass ein solches Verbot sehr wohl verfassungskonform umsetzbar ist. Insbesondere ist das Verbot geeignet, erforderlich sowie verhältnismäßig, um das mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz beabsichtigte Ziel eines verbesserten Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen.

Dazu sagt DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel: „Gesundheitsschutz von Beschäftigten hat ganz klar Vorrang vor unternehmerischer Freiheit. Für die Fleischbranche ist es jetzt an der Zeit, ihre Wagenburg zu verlassen, um mit den menschenunwürdigen Praktiken abzuschließen und im eigenen Hof aufzuräumen. Wer jahrelang Menschen unter so entsetzlichen Arbeits- und Unterkunftsbedingungen beschäftigt, muss am Ende akzeptieren, dass der Gesetzgeber eingreift, wenn nichts passiert„.

Derweil kündigte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner an, die Zahl an Routinekon­trollen in der Fleischindustrie senken zu wollen, um mehr Kapazitäten für sogenannte Problembetriebe zu haben – ein offensichtlicher Versuch, der Fleischindustrie entgegen zu kommen.

Weitere Informationen:

18.09.2020, DGB: Neues Gutachten – Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischwirtschaft rechtlich möglich

21.09.2020, junge Welt: Tönnies und Co. – Fett fürs Schweinesystem

Fleischindustrie startet „Informationsportal“, um Diskussionen zu „versachlichen“

Unter www.fokus-fleisch.de hat der Verband der Fleischwirtschaft (VDF) diesen Monat ein Informationsportal gestartet, mit dem sich die die Branche „an den intensiven Diskussionen über die Fleischwirtschaft“ beteiligen möchte.

Hier eine für sich sprechende Auswahl der bereits eingestellten Beiträgen:

  • Export ist unverzichtbar
  • Fleisch: Das bestkontrollierte Lebensmittel
  • Fleisch gehört zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung
  • Tiergesundheit hat Priorität
https://www.fokus-fleisch.de/

Mit der Plattform verfolgen die im VDF organisierten Fleischkonzerne nach eigenen Angaben folgende Ziele:

  • „Wissen und Fakten zur Tierhaltung, Schlachtung und Verarbeitung von Rind- und Schweinefleisch sowie zu den relevanten gesellschaftlichen Themen Ernährung, Klima, Arbeitsschutz und Tierschutz“ anbieten.
  • Sich „verstärkt in die aktuellen Diskussionen mit Argumenten einmischen und die Gespräche versachlichen“.
  • „Forum für Wissenschaftler […] [sein], um neueste Forschungsergebnisse aus den Bereichen Ernährung, Klima oder Tierschutz mit allen gesellschaftlichen Gruppen zu diskutieren.“
  • „Argumente für eine faire und sachliche Diskussion in der Gesellschaft […] platzieren.“

Zielgruppe sind damit nach eigenen Angaben „Verbraucher, Journalisten, Politiker und Nichtregierungsorganisationen“. Herausragendes Funktion der Plattform ist die Möglichkeit, Fragen „zu allen Themenbereichen rund um Fleisch“ stellen zu können. Unter den wenigen bislang eingestellten Antworten findet sich ein klares „Nein“ zur Frage „Führt die Nutztierhaltung zum Anstieg der Treibhausgase?“ – offensichtlich ist der Anspruch der Wissenschaftlichkeit nicht sehr hoch. Umfassende Informationen zum Beitrag der Tierindustrie zur Klimakrise finden sich auf unseren Hintergrundseiten.

Zum Verband der Fleischwirtschaft:

Der Verband der Fleischwirtschaft (VDF) vertritt als selbsternannte „Spitzenorganisation der Fleischwirtschaft“ die Interessen von Konzernen aus „nahezu allen Bereichen des Vieh- und Fleischsektors“. Die mehr als 200 im Verband organisierten Unternehmen stehen für über 90 % aller Schlachtungen in Deutschland und nahezu der gesamten Im- und Export von Fleisch.

Weitere Informationen:

08.09.2020, Verband der Fleischwirtschaft: Neues Informationsportal der Fleischwirtschaft

08.09.2020, fleischwirtschaft.de: Fleischindustrie: Branche launcht Infoportal

Corona: Viren auf Fleischprodukten nachgewiesen – Chinesische Regierung warnt vor Verzehr von Importen aus Brasilien

Nicht nur in Deutschland haben sich Schlachthöfe als Corona-Hotspots erwiesen, vielmehr wurden bereits seit Beginn der Pandemie immer wieder Ausbrüche auf der ganzen Welt bekannt.

Die Fleischkonzerne wiesen allerorten selbstverständlich die Verantwortung weit von sich. Und gemeinsam mit staatlichen Einrichtungen wurde von Anfang an beschwichtigt, dass ein Konsum der Fleischprodukte trotz Corona-Ausbrüchen unbedenklich sei.

Nachdem jedoch in China wiederholt Corona-Viren auf importierten Fleischprodukten nachgewiesen wurden, hat die chinesische Regierung nun eine Warnung vor Fleisch aus Brasilien ausgesprochen: Konsument*innen sollten vorsichtig sein beim Kauf von importiertem gefrorenem Fleisch sowie Meerestieren.

Hintergrund der aktuellen Warnung sind Virus-Nachweise auf gefrorenem Geflügelfleisch, das aus Brasilien importiert wurde. Brasilien ist hinter den USA das Land mit den zweitmeisten Corona-Infektionen, auch in Fleischbetrieben sind hohe Infektionszahlen bekannt geworden. Es wird davon ausgegangen, dass die Viren durch infizierte Schlachthof-Arbeiter*innen auf die Fleischprodukte gelangen.

Weitere Informationen:

13.08.2020, Spiegel: China findet Coronavirus auf Chickenwings

13.08.2020, Bloomberg: China Says Frozen Chicken Wings from Brazil Test Positive for Virus

Brasilien: Amnesty-Studie belegt Auswirkungen der Fleischindustrie auf indigene Gemeinschaften

Brasilien ist ein Hotspot der Zerstörung von Ökosystemen und des neokolonialen Landraubs. Und immer neue Studien zeigen: ein maßgeblicher Treiber ist die Tierindustrie. Zuletzt berichteten wir darüber, dass ein Fünftel der EU-Sojaimporte in Verbindung mit illegaler Entwaldung in brasilianischen Regenwaldgebieten steht.

Nun hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International eine Studie veröffentlicht, die sehr detailliert nachzeichnet, wie die Fleischindustrie im brasilianischen Amazonas-Regenwald indigene Gemeinschaften verdrängt und aktiv an der Regenwaldabholzung beteiligt ist.

Studie beleuchtet Lieferketten von illegal gehaltenen Rinderherden

Die Studie belegt, dass Fleischkonzerne ihre Lieferketten nicht wie vorgeschrieben auf illegal in Schutzgebieten gehaltene Rinder überprüfen. Und nicht nur das: die Fleischkonzerne schaffen wirtschaftliche Anreize für eben diese illegale Rinderhaltung. Laut Amnesty werden Rindertransporte durch legale Rinderfarmen geschleust, um die Verbindung zur illegalen Haltung zu vertuschen – das Vorgehen ist als „cattle laundering“ bekannt, auf deutsch „Rinderwäsche“ analog zum Begriff Geldwäsche.

Für die indigenen Gemeinschaften und die traditionellen Bewohner*innen der Schutzgebiete bedeuten diese Praktiken Menschenrechtsverletzungen in großem Ausmaß: durch die Ausweitung der Weideflächen wird Regenwald auf ihrem Territorium vernichtet und ihr Land geraubt.

Im Fokus: JBS, der enorm wachsende Weltmarktführer

Brasilien ist weltweit das Land mit den meisten Rindfleischexporten. Im Fokus der Studie steht der Hauptexporteur: der größte Fleischkonzern der Welt JBS. Der Konzern hat seinen Sitz in Brasilien und den USA und ist auf Rind- und Schweinefleisch spezialisiert. Im Jahr 2019 verzeichnete JBS einen Umsatz von 37,4 Mrd. Euro – ein Wachstum um mehr als 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, bei der brasilianischen Konzernsparte ein Wachstum um sogar knapp 16 Prozent. Zum Vergleich: der größte deutsche Fleischkonzern Tönnies kam im Jahr 2019 auf einen Umsatz von 7,3 Mrd. Euro – JBS kommt auf das Fünffache.

Der Staat drückt beide Augen zu

Ermöglicht wird dieses Vorgehen durch die eigentlich zur Einhaltung der Tierhaltungsverbote zuständigen staatlichen Stellen. Denn diese stellen die für den Handel mit den Tieren erforderlichen Dokumente aus, auch wenn es sich um Schutzgebiete handelt. Inzwischen hat sogar die Staatsanwaltschaft im Bundesstaat Pará mitgeteilt, dass es kaum möglich ist, Fleisch aus Amazonasgebieten zu konsumieren, das nicht mit Entwaldung in Verbindung steht.

Weitere Informationen:

14.07.2020, Amnesty International: Illegale Rinderhaltung im Amazonasgebiet gefährdet indigene Gemeinschaften

15.07.2020, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Amnesty: Rinder von illegalen Weiden aus Amazonien in Lieferkette

30.03.2020, Fleischwirtschaft: Weiteres Rekordjahr für JBS

Das neue „Arbeitsschutzkontrollgesetz“: Was die Lobby dazu sagt

Nachdem die Bundesregierung angesichts der Corona-Ausbrüche unter Arbeiter*innen in der Fleischindustrie ein Arbeitsschutzprogramm angekündigt hatte, beschloss sie nun vergangene Woche einen Gesetzesentwurf unter dem Titel „Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz“ (kurz „Arbeitsschutzkontrollgesetz“).

Der Entwurf muss erst noch von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden, bevor er in Kraft treten kann – es bleibt also abzuwarten, wie das Gesetz schließlich aussehen wird. Und was die Tierindustrie in der Praxis daraus machen wird, steht noch einmal auf einem anderen Blatt. Unsere Analyse, die wir Ende Mai veröffentlicht hatten, ist hier nachzulesen: Verbot von Werkverträgen, Kontrollen, höhere Bußgelder. Die Maßnahmen des Arbeitsschutzprogramms für die Fleischindustrie im Überblick.

Spannend sind nun die Äußerungen vonseiten der Lobbyverbände der Tierindustrie, die wiederum ihre Macht zur Geltung bringen wollen, damit das Gesetz möglichst zahnlos wird und sie weiterhin die Arbeiter*innen ausbeuten können. Nachfolgend einige Beispiele von Branchenvertretungen.

Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft

Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) schreibt in einer Pressemitteilung am Tag der Bekanntgabe:

Wir sind erschüttert, mit welcher wirtschaftsfeindlichen Ideologie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mit seinem Entwurf eines Arbeitsschutzkontrollgesetzes die in unserem Rechtsstaat geltenden ökonomischen und juristischen Grundlagen komplett über Bord geworfen hat. Das über die Werkverträge hinaus gehende Verbot der Arbeitnehmerüberlassung und der Unternehmenskooperation ist unverhältnismäßig, mit heißer Nadel gestrickt – und gefährdet Arbeitsplätze! Die Bundesregierung nimmt in nie dagewesener Art und Weise einer einzelnen Branche rechtsstaatlich zugesicherte, marktwirtschaftliche Grundprinzipien weg.“ Und: „Wir appellieren an die Vernunft und Sachlichkeit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, im weiteren Gesetzgebungsverfahren diese Fehler zu korrigieren!

Wie dieser Appell an die Bundestagsabgeordneten aussieht, davon berichtet der ZDG in einer vorhergehenden Pressemitteilung: Mit „Politischen Frühstücken“, die in Zeiten von Corona als Videokonferenz durchgeführt werden, führt das ZDG sogenannte Hintergrundgespräche mit Abgeordneten durch: „Gefrühstückt wurde aber natürlich trotzdem: Der ZDG hatte den rund 25 teilnehmenden Mitgliedern des Bundestags und wissenschaftlichen Mitarbeitern jeweils ein „Frühstücks-Carepaket“ mit Chicken Bagel und Frühstücksei in die Büros liefern lassen.“

Der ZDG vertritt nach eigenen Aussagen die Interessen der deutschen Geflügelwirtschaft, unter den rund 8.000 Mitgliedern ist auch die PHW-Gruppe.

Verband der Fleischwirtschaft

Der Verband der Fleischwirtschaft (VDF) beschwert sich über massive Eingriffe „in die gesellschaftsrechtlichen Strukturen der Unternehmen“ und meldet europa- und verfassungsrechtliche Bedenken an. Der Entwurf des Arbeitsschutzkontrollgesetzes sei lediglich ein „Werkvertragsverbotsgesetzt“ und habe „mit Arbeitsschutz absolut nichts zu tun“.

Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands

Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) verweist darauf, „dass bei den neuen Regelungen nicht überzogen werden darf“. Man werde Arbeitsschutzmaßnahmen nicht verweigern, solange „die Kapazitäten für die Schlachtung und Zerlegung“ nicht darunter litten: „Sonst droht ein fataler Strukturbruch, nicht nur in der Fleischwirtschaft, sondern auch in der gesamten Veredlungswirtschaft.“

agrarheute

Der Chefredakteur des Branchenmagazins agrarheute Simon Michel-Berger schreibt: „Mit Arbeitsschutz in Corona-Zeiten hat das nicht viel zu tun, eher mit einer Treibjagd auf einen gefühlten Bösewicht.“ Er spricht von „schwarzen Schafen“, und dass für die Corona-Ausbrüche nicht die prekären Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter*innen ursächlich seien, sondern lediglich die Lüftungsanlagen, die sich, „das nötige Kleingeld vorausgesetzt, […] mit Virenfiltern nachrüsten“ ließen. Mit Blick auf die eben diese aus seiner Sicht eigentlich nötigen Nachrüstungen der Lüftungsanlagen schreibt er:

Aber das interessiert Arbeitsminister Hubertus Heil anscheinend gar nicht. Was den Minister dagegen interessieren dürfte, sind die Klagen, die gegen sein Gesetz seitens der Fleischindustrie zu erwarten sind.

Fazit

Die Reaktionen der Lobbyorganisationen zeigen deutlich, was die Tierindustrie von dem Vorstoß der Bundesregierung hält: nämlich überhaupt nichts, wie nicht anders zu erwarten war. Sie werden jetzt ihre geballte Lobby-Macht daran setzen, Abschwächungen in Bundestag und Bundesrat zu erwirken. Und dabei werden sie nicht nur auf „Politische Frühstücke“ angewiesen sein: wie wir in einem früheren Watchblog-Beitrag geschildert hatten, sind 85 Prozent der CDU/CSU-Abgeordneten direkt mit der Land- und Agrarwirtschaft in Verbindung zu bringen.


Weitere Informationen:

01.07.2020, Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft: Geflügelwirtschaft will Tarifvertrag für die ganze Branche: „Setzen auf starke Sozialpartnerschaft und Flexibilität“

29.07.2020, Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft: „Der Gesetzentwurf ist unverhältnismäßig, mit heißer Nadel gestrickt – und gefährdet Arbeitsplätze!“

29.07.2020, Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands: Bundeskabinett stimmt Änderung des Arbeitsschutzkontrollgesetzes zu

29.07.2020, Verband der Fleischwirtschaft: Gesetzentwurf zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsrecht – Verbot von Werkverträgen in der Fleischwirtschaft

29.07.2020, AgrarHeute: Lex Fleischindustrie – Bundeskabinett schießt übers Ziel hinaus

03.08.2020, Bundesverband Rind und Schwein: Werkvertragsverbotsgesetz: „Zerschlagung der kleinen und mittelständischen Strukturen der Fleischwirtschaft“

Brasilien: Studie bringt ein Fünftel der EU-Sojaimporte in Verbindung mit illegaler Entwaldung

Eine aktuelle Studie aus Brasilien belegt, dass illegale Entwaldung weiterhin ein bedeutendes Problem in den brasilianischen Regenwaldgebieten darstellt.

Die Wissenschaftler*innen betrachten die Gebiete des Amazonas und der Cerrados, den brasilianischen Ökosystemen mit den höchsten Entwaldungsraten. Sie kommen zu der Einschätzung, dass ungefähr zwanzig Prozent der Sojaimporte sowie mindestens 17 Prozent der Rindfleischimporte aus Produktionsbetrieben stammen, die illegal Wälder roden.

Darüber hinaus kommen sie zu der Einschätzung, dass ein Großteil der illegalen Entwaldung von einigen bestimmten Produktionsbetrieben vorgenommen werde: Insgesamt seien zwei Prozent der Landbesitzer in den Gebieten verantwortlich für mehr als sechzig Prozent der gesamten potenziell illegalen Entwaldung.

Die Wissenschaftler*innen kommentieren ihre Erkenntnisse hinsichtlich der Verantwortung der Importländer in der Europäischen Union wie folgt: „Alle Wirtschaftspartner Brasiliens sollten die Schuld für die indirekte Förderung der Entwaldung und der Treibhausgasemissionen mittragen, die dadurch entsteht, dass sie den Import und den Konsum landwirtschaftlicher Produkte, die mit illegaler oder nicht illegaler Entwaldung kontaminiert sind, nicht unterbinden.“

Weitere Informationen

17.07.2020, Science:

The rotten apples of Brazil’s agribusiness

17.07.2020, Der Tagesspiegel:

Importierte Abholzung: Software zeigt Raubbau in Amazonien

Niederlande: Staat fördert Reduktion der Tierproduktion

Hierzulande ist die Tierindustrie weiterhin auf Wachstumskurs, ungeachtet der enormen negativen Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Natur. Und von den Regierungen, ob von Bund oder Ländern, wird häufig propagiert, dass staatliche Maßnahmen zur Reduktion der Tierproduktion nicht machbar seien. Vermeintliche Gründe gibt es viele: etwa dass die Mittel fehlten, zu strenge Regulierungen die Lebensmittelversorgung gefährdeten, die internationale Wettbewerbsfähigkeit riskiert würde, oder dass freie Märkte Probleme viel effektiver lösten, oder …

Interessant ist daher zu schauen, welche Wege andernorts eingeschlagen werden. Blicken wir in die Niederlande: Dort gibt es wie in Deutschland eine mächtige Tierindustrie und vergleichbare negative Auswirkungen. Während der deutsche Bundesrat die Schweineproduktion noch mit einer Legalisierung der bislang illegalen Kastenstände stützt, hat der niederländische Staat schon längst ein Ausstiegsprogramm für Schweineproduzent*innen aufgelegt. Ziel des Programms mit dem Titel „Warme Sanierung“ ist es, Bäuer*innen zur Bestandsabstockung oder Betriebsaufgabe zu bewegen – insbesondere in Gegenden mit besonders hoher Umweltbelastung. Für Bäuer*innen, die ihren Betrieb komplett aufgeben, wird eine Summe von 180 Millionen Euro bereitgestellt.

Das Programm, welches im November vergangenen Jahres gestartet wurde, wird inzwischen bereits von insgesamt mehr als 400 niederländischen Schweinebetrieben in Anspruch genommen. Und wenn alle Betriebe, die gegenwärtig an einer Aufgabe ihrer Produktion interessiert sind, die Produktion tatsächlich beenden, entspräche das einem Anteil von über zehn Prozent der gesamten niederländischen Schweineproduktion. Die niederländische Landwirtschaftsministerin hatte auch angekündigt, dass sie keinen interessierten Schweinebetrieb ablehnen wolle und, wenn nötig, das Budget aufstocken werde.

Auch zuvor schon gab es staatliche Förderprogramme für Aussteiger*innen: Unter dem Titel „Aktionsplan Ammoniak“ wurden Schweineproduzent*innen weniger strenge Umweltschutzregeln zugestanden, wenn sie ihren Betrieb zu einem festen Stichtag schlossen.

Klar ist: Eine echte Agrarwende erfordert noch deutlich weitreichendere Maßnahmen. Ausstiegsprogramme, die Tierproduzent*innen eine Perspektive bieten, sind dabei aber sicherlich eine sinnvolle soziale Komponente.

Weitere Informationen

06.07.2020, agrarheute Online:

Niederlande – Hofaufgabe: Über 400 Schweinehalter steigen aus

17.01.2020, agrarheute Online:

Emissionsreduktion – Niederlande: Mehr ausstiegswillige Landwirte, mehr Geld

Bildquelle: ARIWA – Animal Rights Watch e. V.