Das lange Ringen um die Kastenstände: Bundesländer legalisieren bislang illegale Tierausbeutungs-Praxis

Nach einem langen Ringen haben sich die Länder am Freitag (03.07.2020) im Bundesrat auf eine Neuregelung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geeinigt, zentral ging es um die Frage des Einsatzes von Kastenständen in der Schweineproduktion.

Mit der Neuregelung wird der bislang illegale, aber in der Praxis vom Staat gedeckte Einsatz von Kastenständen legalisiert: im sogenannten Deckzentrum wird der Kastenstand für weitere acht bis zehn Jahren erlaubt, und im Abferkelbereich für weitere 15 Jahren sowie anschließend weiterhin um den Geburtszeitraum herum erlaubt.

In der Gestalt von Kastenständen zeigt sich die krasse Ausbeutung der Tiere in der Schweineproduktion, die in anderen Formen auch in allen anderen Bereichen der Tierindustrie eine zentrale Rolle spielt: Die Tiere werden im Sinne der Profitmaximierung zu Waren, Ressourcen und Produktionseinheiten degradiert.

Doch worum geht es konkret bei der Frage nach den Kastenständen? In einem Gerichtsurteil von 2015 wurde festgestellt, dass die seit 1992 im Tierschutzgesetz geregelten Vorgaben nicht von den in der Praxis weit verbreiteten Kastenständen eingehalten werden. Doch seit 2015 hat sich hier nichts getan – die bestehenden Kastenstände entsprechen also seit fast 30 Jahren nicht dem Tierschutzgesetz!

Vor diesem Hintergrund erläuterte Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Dalbert, warum das Land der Verordnung im Bundesrat nicht zustimmt: „Geltendes Recht wird seit 1992 gebrochen. Eine Verlängerung um weitere acht Jahre kann ich nicht nachvollziehen.“

Anstatt dass diese offensichtlich illegale Praxis nun endlich beseitigt wird, beschließt der Bundesrat, sie zu legalisieren. Und die beteiligten Parteien, allen voran Bündnis 90/Die Grünen, verkaufen die Entscheidung als „wichtigen Schritt für artgerechte Tierhaltung“.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) als Industrielobby bezeichnet die Entscheidung noch als „schmerzhaft für die deutsche Schweinehaltung“ und hatte ein noch weitgehenderes Entgegenkommen gefordert: „Völlig unverständlich ist allerdings, dass bei der politischen Kompromissfindung jegliche Praktikabilität über Bord gegangen ist“, so der DBV.

Was es anstelle dieser Fortschreibung tierausbeuterischer Praktiken vielmehr bräuchte, wäre ein Einstieg in den Ausstieg aus der Tierindustrie. Es stimmt, dass ein sofortiges Verbot von Kastenständen große Herausforderungen für Bäuer*innen darstellen würde. Doch ist eine Abschaffung der Tierindustrie dringend geboten angesichts der mit ihr verbundenen enormen Umweltprobleme, der lokalen sowie globalen Ungerechtigkeiten und der Ausbeutung der Tiere. Anstatt nun enorme staatliche Summen in Stallumbauten zu investieren und damit die Tierindustrie auf Jahre hinweg zu festigen, braucht es vielmehr jetzt ein umfassendes Strukturwandelprogramm für bislang stark von der Tierindustrie dominierte Regionen; für gute und faire Arbeitsplätze; und für eine umfassende Agrarwende hin zu einer solidarischen und ökologischen Produktions- und Organisationsweise, die nicht auf Kosten anderer fühlender Individuen erfolgt und nicht am Gewinn orientiert ist.

Weitere Informationen:

02.07.2020, SPIEGEL Online: Abstimmung im Bundesrat Noch weniger Rechte für die Sau

03.07.2020, foodwatch: Die Kastenstand-Haltung geht weiter

03.07.2020, top agrar Online: Bundesrat stimmt für Abschaffung des Kastenstandes

03.07.2020, agrarheute Online: Bundesrat besiegelt das Aus für den Kastenstand

03.07.2020, Deutscher Bauernverband Pressemitteilung: Schmerzhafter Tag für die deutsche Schweinehaltung

03.07.2020, Bündnis 90/Die Grünen: Abschaffung des Kastenstands: Wichtiger Schritt für artgerechte Tierhaltung

Hintergrundtext:

Gemeinsam gegen die Tierindustrie: Hintergrundtext zur Haltung von Schweinen in der Tierindustrie

Bildquelle: ARIWA – Animal Rights Watch e. V.

Welche Maßnahmen Staat und Fleischindustrie gegen Corona-Ausbrüche unternehmen

Angesichts der nicht aufhörenden Serie an Corona-Ausbrüchen in Schlachthöfen und dem massiven Ausbruch bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück mit inzwischen über 1.500 infizierten Arbeiter*innen sind Maßnahmen zur Begrenzung der Verbreitung des Virus dringend erforderlich.

Klar ist: die effektivste Maßnahme ist die Schließung der Schlachthöfe, wie es auch aktuell unter anderem mit dem Tönnies-Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück erfolgt. Denn sowohl die Arbeitsbedingungen in den Betrieben als auch die Unterbringung der Arbeiter*innen sind so unzureichend, dass die nötigen Abstands- und Hygienevorgaben nicht umsetzbar sind.

Jedoch werden längst nicht alle Schlachthöfe mit Corona-Fällen geschlossen und für die restlichen werden Wiedereröffnungspläne erarbeitet. Wie sehen die Maßnahmen von Industrie und Staat aus?

Arbeitsrechtsreformen

Große Aufmerksamkeit erhält das angekündigte Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft unter anderem mit einem Verbot von Werkverträgen. Ob und wenn ja wie diese Maßnahmen überhaupt umgesetzt werden, wird sich zeigen. Eins ist klar: die Maßnahmen sollen erst ab kommendem Jahr greifen. Angesichts des jetzt grassierenden Corona-Virus braucht es allerdings sofortige Maßnahmen.

Corona-Tests

In Nordrhein-Westfalen, einem Zentrum der deutschen Tierindustrie und mit Tönnies auch ein Zentrum der Corona-Ausbrüche, müssen Schlacht- und Zerlegebetriebe mit mehr als 100 Arbeiter*innen mindestens zweimal je Woche die komplette Belegeschaft testen. Laut Verband der Fleischwirtschaft bedeutet dies für die Fleischunternehmen monatliche Kosten pro Arbeiter*in von bis zu 320 € – angesichts der extrem niedrigen Personalkosten aufgrund der massiven Ausbeutung der Arbeiter*innen deutliche Mehrkosten.

In anderen Bundesländern gilt bislang keine regelmäßige, verpflichtende Testung aller Arbeiter*innen. So werden in Bayern in ausgewählten Fleischbetrieben massenhaft Tests durchgeführt, in Schleswig-Holstein müssen in bestimmten Betrieben neu ankommende Arbeiter*innen getestet werden, und Sachsen-Anhalt wiederum setzt auf freiwillige Tests.

Belüftung

Darüber hinaus prüfen einige Betriebe Nachrüstungen von Filtern bei der Belüftung, die zu einer verminderten Verbreitung des Virus beitragen sollen. Inwiefern das tatsächlich eine Rolle spielt, ist allerdings bislang nicht gesichert.

Es braucht eine Schließung der Schlachthöfe!

All diese Maßnahmen, die die Tierindustrie und der ihr seit jeher eng verbundene Staat nun auf den Weg bringen oder zumindest verkünden, greifen jedoch massiv zu kurz und gehen am eigentlichen Problem vorbei: der enormen Ausbeutung von Menschen, Tieren und der Umwelt, die die Grundlagen der Tierindustrie bildet und auch maßgeblich für die Corona-Ausbrüche verantwortlich ist.

Angesichts der anhaltenden Corona-Ausbrüche muss der Einstieg in eine umfassende Agrarwende in Angriff genommen werden. Eine Agrarwernde hin zu einer solidarischen und ökologischen Produktionsweise, die nicht auf Kosten anderer fühlender Individuen erfolgt und nicht am Gewinn orientiert ist! Dabei müssen natürlich die Arbeiter*innen und die Landwirt*innen miteinbezogen werden und gemeinsam Organisationskonzepte erarbeitet werden, um gute und faire Arbeitsplätze für alle zu gewährleisten und Ernährungssouveränität zu erreichen.

Weitere Informationen:

01.07.2020, Fleischwirtschaft.de: Corona-Tests: Keine einheitliche Linie

03.07.2020, Fleischwirtschaft.de: Coronatests: Hohe Kosten belasten die Branche

Der „Niedersächsische Weg“ zu mehr Umweltschutz: Tierproduktion ist weiterhin Tabu-Thema

Das Land Niedersachsen hat sich gemeinsam mit den niedersächsischen Ablegern der Umweltschutzverbände BUND und NABU sowie des Bauernverbands und der Landwirtschaftskammer auf eine verbindliche Agenda geeinigt: den „Niedersächsischen Weg“ für mehr Natur-, Arten- und Gewässerschutz.

Mehr Umweltschutz ist tatsächlich dringend geboten angesichts der Tatsache, dass Niedersachsen ein Zentrum der deutschen Tierindustrie darstellt. Die Tierindustrie trägt maßgeblich zu einem rasanten Artensterben, verunreinigten Grund- und Oberflächengewässern und enormen Treibhausgasemissionen bei, um nur einige verheerende Konsequenzen für die Umwelt in Niedersachsen und darüber hinaus zu benennen.

Doch wer vor diesem Hintergrund Maßnahmen zur Abschaffung der Tierindustrie erwarten würde, wird enttäuscht: die Rolle der Tierindustrie wird überhaupt nicht benannt. Und die wenigen Maßnahmen, die tatsächlich mit Tierproduktion zusammenhängen, drehen sich um die Förderung vermeintlich umweltfreundlicherer Tierhaltung, anstatt die dringend nötige Reduktion der Tierhaltung anzugehen.

Darüber hinaus wird Umweltschutz im „Niedersächsischen Weg“ der Prämisse eines „Gleichgewichtes zwischen Ökologie und Ökonomie“ untergeordnet. Dass dies nicht funktioniert, zeigt sich schon lange – vielmehr ist der Kapitalismus ein maßgeblicher Treiber der enormen Umweltzerstörung! Es braucht dringend eine umfassende Agrarwende hin zu einer solidarischen und ökologischen Produktions- und Organisationsweise, die nicht am Gewinn orientiert ist. Bäuer*innen müssen dabei selbstverständlich als Partner*innen verstanden werden und gemeinsam Lösungen gefunden werden. Und die Abschaffung der Tierindustrie muss ein zentraler Teil dessen sein.

Weitere Informationen:

Land Niedersachsen

Der Niedersächsische Weg

25.05.2020, top agrar Online

So sieht der „Niedersächsische Weg“ im Detail aus

Studie zur Milchindustrie kritisiert Großkonzerne und Folgen für Klimawandel

Der Ausstoß klimaschädlicher Gase durch die Milchindustrie ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Bereits von 2005 bis 2015 erhöhten sich die Emissionen laut der UN-Welternährungsorganisation um 18 Prozent. Eine Studie des Institute for Agriculture and Trade Police (IATP) spricht von einem weiteren sprunghaften Anstieg in den zwei Jahren nach der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens (2015). Die Organisation, die sich für einen nachhaltigen Agrarhandel einsetzt, geht von einer Steigerung des Ausstoßes von klimaschädlichen Gasen wie Kohlendioxid und Methan um elf Prozent von 2015 bis 2017 aus.

Der erhöhte Ausstoß gehe vor allem auf die Erweiterung der Produktion von milliardenschweren Großkonzernen wie Amul (Indien), Le Groupe Lactalis (Frankreich), Saputo (Kanada), Danone (Frankreich), Fonterra (Neuseeland), Dairy Farmers of America (USA) oder dem Deutschen Milchkontor (Deutschland) zurück. Insgesamt würden die 13 größten Konzerne mehr Emissionen zum Klimawandel beitragen als ganze Staaten wie zum Beispiel Großbritannien.

Gleichzeitig zeige sich in der Industrie ein lang anhaltender Konzentrationsprozess. Großbetriebe und Konzerne dominieren zunehmend die Produktion, die Verarbeitung und den Handel von Milchprodukten. Die forcierte Ausweitung der Produktion führe zu immer weiter sinkenden Preisen und der Verdrängung kleinbäuerlicher und mittelständischer Milchbetriebe, so das IATP. Seit 1997 verringerte sich beispielsweise die Zahl der Betriebe in den USA von 125.000 auf 54.000 im Jahr 2017. “You have to get bigger or get out“ – „Wachsen oder weichen“, fasst IATP-Autorin Shefali Sharma die Entwicklung zusammen.

Weitere Informationen:

15.06.2020, Shefali Sharma (IATP)
Milking the Planet – How Big Dairy is heating up the planet and hollowing rural communities
Ausführliche Zusammenfassung der IATP-Studie (englisch)

15.06.2020, The Guardian (UK)
Emissions from 13 dairy firms match those of entire UK, says report (englisch)

16.06.2020, World News Monitor
Kuhmilch hat schwerwiegende Folgen für die Umwelt (deutsch)

Gewerkschaftslinke gibt Sammelband zu Ausbeutung durch Fleischindustrie und ihre Subunternehmer heraus

Mehr als 1.000 Tönnies-Beschäftigte aus dem Hauptwerk in Rheda-Wiedenbrück haben sich mit dem Coronavirus infiziert. Es ist der bisher größte Corona-Ausbruch in Deutschland und wieder stehen die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter*innen in der Fleischindustrie im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Die Gewerkschaftslinke Hamburg hat über die systematische Ausbeutung und Erniedrigung der meist osteuropäischen Werkvertragsarbeiter*innen, das Geschäftsmodell des Subunternehmertums und die wiederholten Corona-Ausbrüche in der Fleischindustrie einen mehr als spannenden Sammelband herausgegeben.

Das Buch versammelt Beiträge von Peter Kossen (Pfarrer, Verein Würde und Gerechtigkeit), von Mitarbeiter*innen von Arbeitsrechtsinitiativen und Gewerkschaften, von Aktiven aus lokal engagierten Bürger*inneninitiativen und Unterstützer*innenkreisen für die Beschäftigten und vielen weiteren.

Die Herausgeber*innen stellen unmissverständlich klar: „Wichtigstes Ziel unserer Publikation ist es, die aktuelle Offenlegung der Missstände zu nutzen, um endlich das Werksvertrags- und Subunternehmerunwesen zu beenden.“

Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg [Hg.]
Das Schweinesystem
Aufhebung der Werkverträge und des Subunternehmertums!
Verlag: Die Buchmacherei
ISBN: 978-3-9822036-0-7

Weitere Informationen:

  • Verlagsinformationen und Bestellung: diebuchmacherei.de
  • Nicht nur Clemens Tönnies steht am Pranger, sondern auch das „System Tönnies“ – Bericht über die Pressekonferenz und Buchvorstellung am 18.06.2020 in Rheda-Wiedenbrück auf der Homepage der Gewerkschaftslinken Hamburg

Treibhausgasemissionen aus der Tierhaltung – Bundesregierung antwortet auf Methan-Fragen

(von Friederike Schmitz, zuerstveröffentlicht am 18.06.2020 auf www.friederikeschmitz.de)

Abgeordnete der FDP haben eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu den Methan-Emissionen der Tierhaltung gestellt, Fragen und Antworten sind hier veröffentlicht. Das sind aus meiner Sicht die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Vorgang:

1. Die Bundesregierung will Methan-Emissionen aus der Tierhaltung reduzieren, aber nicht durch Verringerung der Tierbestände. Stattdessen wollen sie, dass Rinder besser gezüchtet und anders gefüttert werden, damit sie weniger Methan ausstoßen. Außerdem soll mehr Gülle und Reststoffe in Biogasanlagen genutzt werden.

2. Die Bundesregierung gibt den Anteil der Rinderhaltung und der Tierhaltung an den gesamten deutschen Treibhausgasemissionen mit 3,6 bzw. 4,1 Prozent zu niedrig an, da sie offenbar weder die Emissionen aus der Landnutzung (z.B. aus entwässerten Mooren, die häufig als Weideland dienen) noch die aus dem Anbau der Futtermittel einbezieht – was laut der Sektoreneinteilung, die auch der Weltklimarat benutzt, zwar vordergründig korrekt, aber trotzdem irreführend ist. Leider sind keine Details oder Belege angegeben. Ein Vergleich mit der Aufstellung des Thünen-Instituts legt aber nahe, dass wie dort diese Emissionsquellen nicht berücksichtigt wurden.

3. Die FDP greift die These auf, dass bei speziellem Weidemanagement die Tierhaltung positive Klimaeffekte haben könnte: „Studien zufolge ist die Nutztierhaltung aber nicht nur Verursacher von Emissionen, sondern kann etwa durch ein entsprechend angepasstes Weidemanagement sogar zur Kohlenstoffspeicherung im Boden beitragen.“

Es gibt weltweit immer mehr Leute und Gruppen, die diese These verteidigen und verbreiten, wenn sie auch in Deutschland noch wenig diskutiert wird. Die Idee ist, dass man den Kohlenstoffgehalt im Boden erhöhen kann, wenn man eine Fläche nach bestimmten Prinzipien, z.B. dem „holistischen Weidemanagement“ folgend, beweiden lässt. Auf diese Weise könnten also Treibhausgase aus der Atmosphäre reduziert werden – sowohl Kohlendioxid als auch Methan.

Es ist umstritten, wie gut das funktioniert und wie viel Kohlenstoff so gebunden werden kann. Die Metastudie „Grazed and Confused“ kommt zu dem Schluss, dass nur unter ganz speziellen Bedingungen nennenswerte Mengen Kohlenstoff eingelagert werden, die aber zugleich durch die Methan-Emissionen der Rinder zunichtegemacht und übertroffen würden, so dass die Weidehaltung selbst im besten Fall noch deutlich klimaschädlich sei. Die Verfechter*innen der genannten These überzeugt das allerdings nicht. Wir können in Zukunft damit rechnen, dass die Idee von der klimafreundlichen Rindernutzung eine größere Rolle in Diskussionen um die Tierhaltung spielen wird – und das, obwohl in Deutschland das „holistische Weidemanagement“ oder auch nur eine reine Weidehaltung, bei der die Tiere also nicht mit Ackerfrüchten zugefüttert werden (was eine Voraussetzung für die Klimaschutz-Behauptung ist), so gut wie gar nicht existiert.

4. Die Bundesregierung geht nicht davon aus, dass eine mögliche Einlagerung von Kohlenstoff aus Methan im Weideland die Methanemissionen der Rinder ausgleichen könnte; vielmehr meint sie, dass die Emissionen die mögliche Reduktion bei weitem übertreffen: „Die Methanaufnahme der Böden liegt in einer Spanne von unter 1 bis rund 6 kg Methan pro Hektar und Jahr und ist somit im Vergleich zur direkten Methanemission aus dem Verdauungstrakt der Rinder (z. B. im Mittel rund 138 kg Methan pro Kuh bei einer Milchleistung von 8100 Litern pro Jahr) vergleichsweise gering.“ Auch dafür fehlen leider in der aktuellen Version die Quellen, außerdem wird offenbar nur die Sequestrierung von Methan betrachtet, nicht die von Kohlendioxid. Wenn die Regierung aber in letzterem für die Weidehaltung ein nennenswertes Potential sehen würde, würde das wohl auch aufgeführt werden.

Weitere Informationen:

Artikel auf TopAgrar Online zur Kleinen Anfrage: Methanausstoß: Müssen Rinderhalter die Klimaschutzpläne ausbaden? (17.06.2020)

„Wie sollen wir uns schützen?“ – Video entfacht neuerliche Diskussion um Fleischindustrie

Ein Video aus der Tönnies-Fleischfabrik Rheda-Wiedenbrück zeigt eine überfüllte Kantine. Der Mindestabstand kann nicht eingehalten werden. Eine Stimme kommentiert, während die Kamera in der Halle skandalöse Bilder aufnimmt: „Tausende von Menschen sitzen alle an einem Tisch. Das ist Tönnies. Wie sollen wir uns hier schützen?“

Nachdem der Konzern verlauten ließ, das Video sei vor Einführung der Pandemieverordnungen in Nordrhein-Westfalen entstanden, konnten die Recherchen des SWR das Video auf den 8. April datieren. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Kantine nicht betrieben werden dürfen, da die Auflagen zum Schutz der Beschäftigten nicht gewährleistet werden konnte.

Das verantwortungslose Verhalten des Tönnies-Konzerns sorgte für mittlerweile über 650 Infektionen im Standort Rheda-Wiedenbrück. Schulen und Kitas mussten daher bereits auf ein Minimum reduzieren. An Schuldzuweisungen mangelte es nicht: Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gab den Beschäftigten die Verantwortung, denn die „Bulgaren und Rumänen“ seien schließlich angesichts der Grenzöffnungen sicher alle in Heimaturlaub gefahren und hätten das Virus von dort mitgebracht.

18.06.2020, tagesschau.de
Corona-Ausbruch bei Tönnies: Video zeigt Hygieneverstöße

18.06.2020, tagesschau.de
Corona-Fälle bei Tönnies: Der Schlachthof wird zum Politikum

18.06.2020, tagesschau YouTube
Corona-Ausbruch in Tönnies-Schlachtbetrieb in NRW

Bild: Ausschnitt aus geleaktem Video

Nach Untreuevorwürfen und dubiosen Exportgeschäften: Durchsuchungen bei Westfleisch-Standorten

Westfleisch, der drittgrößte Fleischproduzent Deutschlands, kommt aus den Negativ-Schlagzeilen nicht heraus. Nach Hunderten Corona-Infektionen unter den Beschäftigten, Schließungen von Standorten in Coesfeld und Dissen, wiederholten Protestaktionen vor den Werkstoren und Kontrollen von Zoll und Arbeitsschutz-Beamten wurden am Dienstag (16. Juni 2020) mehrere Geschäftsräume des Konzerns in Deutschland und Dänemark durchsucht.

Hintergrund sind Untreuevorwürfe gegenüber Mitarbeiter*innen. Bereits Anfang Mai berichtete die Wirtschaftswoche von „dubiosen“ Exportgeschäften im vergangenen Herbst. Nach dem Zusammenbruch der chinesischen Schweinefleischproduktion aufgrund der Afrikanischen Schweinegrippe verstärkten Fleischkonzerne wie Tönnies oder Danish Crown ihr Exportgeschäft. Auch Westfleisch versuchte den Absatz von in Deutschland produziertem Schweinefleisch durch Geschäfte in China zu steigern. Im aktuellen Fall sollten 12.000 Tonnen Schweinefleisch exportiert werden. Abgewickelt wurde das Geschäft aber offenbar über eine Firma in Dubai, mehrere Mitarbeiter*innen sollen sich über die Geschäfte mit dem Zwischenhändler bereichert haben. Die Rheinische Post spricht von einem zweistelligen Millionenbetrag.

Der Skandal reicht offenbar weit in die Führungsebene. Die Firma aus Dubai mit Namen Prime Meat Genrel Trading ist laut Wirtschaftswoche personell mit einer dänischen Firma verknüpft, die von Torben Soennichsen geleitet wird. Dieser ist Bruder des Westfleisch-Vorstandssprechers Steen Soennichsen.

Statt Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen, geht Westfleisch die Staatsanwaltschaften scharf an. Diese würden Falschinformationen aufsitzen. Finanzchef Carsten Schruck spricht gar von einem „böswilligen Frontalangriff“ und meint, „dass es sich um eine gezielte Kampagne handelt, die Westfleisch in ein falsches Licht rücken soll.“

Quellen und weitere Informationen:

17.06.2020, Wirtschaftswoche:
Westfleisch: „Böswilliger Frontalangriff“

16.06.2020, Rheinische Post:
Staatsanwaltschaft durchsucht Westfleisch-Standorte

16.06.2020, Wirtschaftswoche:
Anfangsverdacht der Untreue – Durchsuchungen bei Westfleisch

08.05.2020, Wirtschaftswoche:
Dubioser Chinadeal – Westfleisch und Rippchenrätsel (kostenpflichtiger Beitrag)

Bild: Protest von Peter Kossen vor Westfleisch-Schlachthof in Coesfeld am 10. Mai 2020 (Quelle: Bistum Münster)

Erneuter Corona-Ausbruch bei Tönnies: Fleischkonzern muss nach gescheiterten Schutzmaßnahmen Produktion einschränken

Es ist nicht der erste Corona-Ausbruch bei Deutschlands größtem Fleischkonzern Tönnies. 400 Mitarbeiter*innen des Tönnies-Schlachthofs in Rheda-Wiedenbrück haben sich laut Angaben des Landkreises Gütersloh seit Anfang der Woche infiziert. In der vergangenen Woche waren es bereits 130 Infizierte.

Seit langem werden Tönnies und andere Schlachtkonzerne kritisiert, dass der Infektionsschutz der Arbeiter*innen kaum umgesetzt werden könne. Dies betrifft sowohl die Unterbringung prekär beschäftigter Werkvertrags- und Leiharbeiter*innen sowie deren Transport in oftmals überfüllten Bussen als auch die Arbeitsbedindungen in den Schlachthöhen und Fleischverarbeitungsfabriken. Akkordarbeit, hunderte Arbeiter*innen in den Zerlegehallen und kaum einzuhaltende Abstandsgebote begünstigen die Ausbreitung des Coronavirus unter den Beschäftigten. So auch im aktuellen Fall: Alle Mitarbeiter*innen haben sich im Betrieb angesteckt.

Tönnies machte in den vergangenen Wochen wiederholt klar, dass man nicht bereit sei, die Produktion auch nur zu drosseln. Die Gefahr von Infektionsketten in den Fabriken wurde mit Verweis auf eine vermeintliche Versorgungssicherheit der Bevölkerung hingenommen. Corona-Ausbrüche sollten durch konzerneigene Reihentestungen nur noch eingegrenzt werden.

Im Angesicht des erneuten Ausbruchs und neuer Kritik aus der Öffentlichkeit sieht sich Tönnies nun allerdings gezwungen, die Produktion am Standort in Rheda-Wiedenbrück herunterzufahren und weniger Arbeiter*innen in den Schichten einzusetzen. Der Landkreis Gütersloh gab sich zunächst mit diesen Ankündigungen zufrieden und nachdem hunderte neue Infektionen festgestellt wurden, wird der Standort voraussichtlich geschlossen. Schulen und Kitas müssen aufgrund des Ausbruchs ab Donnerstag auf unbestimmte Zeit schließen.

Quellen und weitere Informationen:

17.06.2020, Tagesschau: 400 Corona-Infektionen in Fleischfabrik

16.06.2020, TopAgrar: 46 neue Corona-Fälle: Tönnies muss Produktion absenken

16.06.2020, WDR: Tönnies muss Produktion absenken

28.05.2020, Watchblog Tierindustrie: Tönnies riskiert weiter Corona-Ausbrüche

Bild: Protest des Bündnisses gegen die Tönnies-Erweiterung in Rheda-Wiedenbrück am 19. Mai 2020

Tierindustrie-Lobby an Schulen in Zeiten von Corona

Es gibt viele Beispiele dafür, wie die Tierindustrie versucht, Kindern bereits früh ein verzerrtes Bild ihrer Machenschaften zu vermitteln. Gemeinsam mit der Lobby-Organisation information.medien.agrar etwa entstehen Unterrichtsmaterialien, die zum Teil sogar von den Bundesländer auf die offiziellen Bildungsservern übernommen werden und so den Lehrer*innen empfohlen werden.

Ein aktueller Fall von tendenziöser Beeinflussung von Schüler*innen: das Landwirtschaftliche Bildungszentrum der Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat „Kurzfilme zur Nutztierhaltung für Kinder und Jugendliche“ veröffentlicht. Auf einem Wissensportal mit dem euphemistischen Namen „Learning Snacks“ beziehungsweise „Lernhäppchen“ werden die Videos speziell für die aktuellen, Corona-bedingten Schulschließungen als „auch für das Homeschooling“ geeignet beworben.

Die Realität der Tierindustrie wird selbstverständlich nicht abgebildet.

Quelle und weitere Informationen:

04.06.2020 – TopAgrar online: Kurzfilme zur Nutztierhaltung für Kinder und Jugendliche