Watchblog Tierindustrie: Themenseite Westfleisch

Alle Artikel des Watchblogs Tierindustrie zum Westfleisch-Konzern:

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Westfleisch, der drittgrößte Fleischproduzent Deutschlands, kommt aus den Negativ-Schlagzeilen nicht heraus. Nach Hunderten Corona-Infektionen unter den Beschäftigten, Schließungen von Standorten in Coesfeld und Dissen, wiederholten Protestaktionen vor den Werkstoren und Kontrollen von Zoll und Arbeitsschutz-Beamten wurden am Dienstag (16. Juni 2020) mehrere Geschäftsräume des Konzerns in Deutschland und Dänemark durchsucht.

Hintergrund sind Untreuevorwürfe gegenüber Mitarbeiter*innen. Bereits Anfang Mai berichtete die Wirtschaftswoche von „dubiosen“ Exportgeschäften im vergangenen Herbst. Nach dem Zusammenbruch der chinesischen Schweinefleischproduktion aufgrund der Afrikanischen Schweinegrippe verstärkten Fleischkonzerne wie Tönnies oder Danish Crown ihr Exportgeschäft. Auch Westfleisch versuchte den Absatz von in Deutschland produziertem Schweinefleisch durch Geschäfte in China zu steigern. Im aktuellen Fall sollten 12.000 Tonnen Schweinefleisch exportiert werden. Abgewickelt wurde das Geschäft aber offenbar über eine Firma in Dubai, mehrere Mitarbeiter*innen sollen sich über die Geschäfte mit dem Zwischenhändler bereichert haben. Die Rheinische Post spricht von einem zweistelligen Millionenbetrag.

Der Skandal reicht offenbar weit in die Führungsebene. Die Firma aus Dubai mit Namen Prime Meat Genrel Trading ist laut Wirtschaftswoche personell mit einer dänischen Firma verknüpft, die von Torben Soennichsen geleitet wird. Dieser ist Bruder des Westfleisch-Vorstandssprechers Steen Soennichsen.

Statt Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen, geht Westfleisch die Staatsanwaltschaften scharf an. Diese würden Falschinformationen aufsitzen. Finanzchef Carsten Schruck spricht gar von einem „böswilligen Frontalangriff“ und meint, „dass es sich um eine gezielte Kampagne handelt, die Westfleisch in ein falsches Licht rücken soll.“

Quellen und weitere Informationen:

17.06.2020, Wirtschaftswoche:
Westfleisch: „Böswilliger Frontalangriff“

16.06.2020, Rheinische Post:
Staatsanwaltschaft durchsucht Westfleisch-Standorte

16.06.2020, Wirtschaftswoche:
Anfangsverdacht der Untreue – Durchsuchungen bei Westfleisch

08.05.2020, Wirtschaftswoche:
Dubioser Chinadeal – Westfleisch und Rippchenrätsel (kostenpflichtiger Beitrag)

Bild: Protest von Peter Kossen vor Westfleisch-Schlachthof in Coesfeld am 10. Mai 2020 (Quelle: Bistum Münster)

Westfleisch stand im Zentrum der Aufmerksamkeit, als sich die längst bekannten Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter*innen der Tierindustrie in der medialen Öffentlichkeit zum Skandal entwickelten. Auslöser der Diskussionen waren die stark steigenden Infektionszahlen unter meist osteuropäischen Arbeiter*innen in deutschen Tierindustrie-Betrieben.

Manfred Götzke nahm diese Entwicklungen in seiner Reportage für den Deutschlandfunk in den Blick. Er lässt Stimmen zu Wort kommen, die uns auf dem Watchblog in den letzten Wochen immer wieder begegnet sind, aber auch solche, die für gewöhnlich nicht gehört werden beziehungsweise unterdrückt werden: die ausgebeuteten Arbeitskräfte selbst.

31.05.2020, deutschlandfunk Kultur:

Osteuropäische Arbeitskräfte in Deutschland: „Sie behandeln uns wie Sklaven“ (auch auf vielen Podcast-Plattformen zu hören)

United Against The Animal Industry

Werden die angekündigten Arbeitsschutzmaßnahmen des Bundesarbeitsministerium so umgesetzt wie angedacht, wäre es tatsächlich ein Schlag gegen das ausbeuterische Geschäftsmodell der Fleischindustrie. Insbesondere die geplante Abschaffung von Werkverträgen für größere Schlacht- und Fleischverarbeitungskonzerne dürfte die Industrie vor erhebliche Herausforderungen stellen. Ob die Maßnahmen tatsächlich so umgesetzt werden ist ungewiss, ebenso ob sie zu einer Verbesserung der Situation der prekär beschäftigten Arbeiter*innen und zu einem verbesserten Gesundheitsschutz der Beschäftigten in Anbetracht der Corona-Epidemie führen. Das Thema Ausbeutung der Arbeiter*innen in der Fleischindustrie hat sich noch lange nicht erledigt.

Die Fleischindustrie kündigt Widerstand an:

Es ist mit heftigen Widerstand von den Konzernen und den Branchenverbände der Industrie zu rechnen. Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) sprach bereits im Vorfeld von einer „Diskriminierung“ und kündigte eine Verfassungsklage an. Der Verband der Fleischindustrie (VDF) zeigt sich ebenfalls empört, die Maßnahmen seien „vollkommen unangemessen“, eine „willkürliche Diskriminierung“ und es bleibe abzuwarten, „ob derartige Regelungen Bestand haben werden“.

Dass das Interesse der Industrie an Arbeitsschutzmaßnahmen mehr als gering ist, zeigen auch Ankündigungen, den Schlachtbetrieb notfalls ins Ausland zu verlagern, wo Arbeitsschutzstandards geringer seien. Entsprechend äußerten sich die ZDG, aber auch Clemens Tönnies, der in öffentlichen Stellungsnahmen bis zuletzt am System Werkvertrag festhielt. Tatsächlich halten Wirtschaftsminister oder die Gewerkschaft NGG derartige Schritte für unrealistisch, über derartige Verlautbarungen soll viel mehr Druck auf den Gesetzgeber ausgeübt werden.

Der Marschrichtung der Verbände und der Konzerne ist klar: Verbesserungen des Arbeitsschutzes werden nicht hingenommen, es wird geklagt und versucht, Einfluss auf die konkrete Umsetzung der geplanten Maßnahmen zu nehmen, um diese abzuwenden oder zumindest abzuschwächen. Ob die Fleischindustrie Erfolg hat, hängt letztendlich auch davon ab, wie hoch der öffentliche Druck ist.

Eine Absichtserklärung ist noch kein Gesetz:

Tatsächlich sind die vom Bundesarbeitsminister Heil und dem Regierungskabinett vorgeschlagenen Maßnahmen weitreichender als erwartet. Es bleiben aber Absichtserklärungen. Ob die Maßnahmen tatsächlich eins zu eins umgesetzt werden, darf bezweifelt werden. Die Fleischindustrie versteht es, ihr wirtschaftliches Kapital in politische Macht zu münzen und über Verbände und Lobbyisten effektiv Einfluss auf Gesetzgebungsverfahren zu nehmen.

In der Vergangenheit stand die Industrie nach Tierschutzskandalen des Öfteren unter heftiger Kritik. Die Bundesregierung und Ministerien versprachen Besserungen, bei tatsächlichen Initiativen wie dem Verbot der Kastenstände in der Schweinezucht oder dem Einsatz von Antibiotika in der Geflügelfleischindustrie wurden ursprüngliche Maßnahmen auf Druck der Industrie und des von Julia Klöckner geführten Landwirtschaftsministerium schnell wieder aufgeweicht. Ein weiterer Grund sich an dieser Stelle nicht vorschnell zurückzulehnen.

Gesetzliche Vorgaben wurden von der Fleischindustrie schon immer mit Füßen getreten:

Der Arbeitsschutz wurde in der Fleischindustrie schon immer unterlaufen. Vom Juli bis September 2019 wurden in 30 Großbetrieben in Nordrhein-Westfalen 8.752 Verstöße bei Kontrollen des Arbeitsschutzes festgestellt, allein 5.863 gegen die Arbeitszeit. 85 Prozent der Betriebe verstießen sogar gravierend gegen Auflagen, so das nordrhein-westfälische Arbeitsministerium. Nicht anders sieht es im Übrigen bei der Einhaltung von Tierschutzauflagen aus: Von 62 überprüften Schlachtbetrieben in Niedersachsen verstießen 58 gegen gesetzliche Vorgaben. Bei den Kontrollen von Ende 2018 bis Anfang 2020 fielen laut Landwirtschaftsministerium des Landes zudem 49 Schlachthöfe durch unzureichende Hygiene in den Produktionsstätten auf.

Der Fleischindustrie nutzt zudem rechtliche Graubereiche knallhart aus. Die Ausbeutung der Arbeiter*innen über Werkverträge und das systematische Unterlaufen des Mindestlohns ist hier das vielleicht prominenteste Beispiel. Aber auch im Bereich der Tierhaltung haben die Fleischkonzerne Geschäftsmodelle gefunden, um die Einhaltung von Tierschutzvorgaben zu umgehen und die damit verbundenen Kosten einzusparen. In der Geflügelfleischindustrie etwa haben Unternehmensgruppen wie PHW (Wiesenhof) oder Rothkötter die Zucht und die Mast von Hühnchen und Puten an sogenannte Vertragsmastbetriebe ausgelagert, um für die andauernden Tierschutzverstöße und elenden Haltungsbedingungen der Tiere nicht verantwortlich gemacht zu werden.

Von den Schlacht- und Fleischkonzernen zu erwarten, dass sie sich mit den neuen Arbeitsschutzmaßnahmen streng an Vorgaben halten, ist vor diesem Hintergrund schlichtweg illusorisch.

Der Schutz der Arbeiter*innen vor Corona-Ausbrüchen ist nicht geklärt:

„Zwölf-Stunden-Schichten an sechs Tagen die Woche, körperliche Schwerstarbeit unter ständigem physischen und psychischen Druck sowie Behausungen, die Erholung und Regeneration nicht zulassen, sondern die Gesundheit zusätzlich gefährden – solche Arbeits- und Lebensbedingungen liefern die Betroffenen und ihre Angehörigen wehrlos einer hochansteckenden Krankheit aus“, warnte Peter Kossen, der sich für die Rechte der Arbeiter*innen einsetzt zu Beginn der Corona-Krise.

Wie der konkrete Gesundheitsschutz der prekär beschäftigten Arbeiter*innen aktuell gewährleistet werden soll, ist auch nach der Ankündigung der Arbeitsschutzmaßnahmen des Bundes ungeklärt. Nach wie vor kommt es bei Schlachhöfen und Fleischverarbeitungsunternehmen zu großen Corona-Ausbrüchen. Die Unternehmen weigern sich, konkrete Maßnahmen umzusetzen, vor allem die Anlagen nach bestätigten Corona-Fällen zu schließen. Westfleisch in Dissen ließ die Produktion auch dann weiterlaufen, als es bereits 92 bestätigte Corona-Fälle gab. Wenige Tage später hatten sich 50 weitere Mitarbeiter*innen infiziert, Vion drohte bei Schließungen mit Klagen und auch bei Müller Fleisch oder Wiesenhof wurde die Produktion aufrecht erhalten.

Aktuell mögen die Infektionszahlen in Deutschland zurückgehen, steigen sie wieder oder gibt es gar eine zweite Welle der Epidemie, sind weitere Corona-Ausbrüche zu erwarten. Die Sammelunterkünfte müssen geschlossen, der Transport in beengten Bussen beendet und Anlagen heruntergefahren werden. Diese Forderungen müssen auch weiterhin in der Öffentlichkeit stark gemacht werden.

Quellen und weitere Informationen:

22.05.2020 – Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie: Verbot von Werkverträgen, Kontrollen, höhere Bußgelder. Die Maßnahmen des Arbeitsschutzprogramms für die Fleischindustrie im Überblick. (Watchblog-Artikel)

22.05.2020 – TopAgrar Online: Geflügelwirtschaft „entsetzt“ über Verbot von Werkverträgen in Schlachtbranche

22.05.2020 – NDR: Dissen: 54 neue Corona-Fälle bei Westcrown

21.05.2020 – Tagesschau.de: Wandert die Fleischindustrie ab?

20.05.2020 – ZDG Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft: Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischwirtschaft / „Entscheidung ist falsch und unverhältnismäßig – und hat verheerende Konsequenzen für Standort Deutschland“

20.05.2020 – VDF Verband der Fleischwirtschaft: Kabinettsbeschluss zu Werkvertragsregelung in der Fleischwirtschaft höchst fragwürdig

20.05.2020 – Deutschlandfunk Nova: „Die Subunternehmer tricksen wo sie können“

04.05.2020 – NDR: Prüfer stellen viele Mängel auf Schlachthöfen fest

17.03.2020 – Kirche und Leben: Kossen befürchtet viele Corona-Fälle bei Arbeitsmigranten

30.01.2020 – Neue Westfälische: So systematisch ignoriert die Fleischindustrie in NRW den Arbeitsschutz

Nach den heftigen Corona-Ausbrüchen in Coesfeld (264 Infizierte) und Oer-Erkenschwick (54 Infizierte) sind bei einem weiteren Westfleisch-Betrieb in Dissen (Niedersachsen) mindestens 92 Mitarbeiter*innen positiv auf das Coronavirus getestet worden. Bei Westcrown, einer von Westfleisch und Danish Crown im Joint Venture betriebenen Fleischverarbeitungsfabrik, sind eine Vielzahl von Werkvertragsbeschäftigten eingesetzt. „Unter ihnen sind zahlreiche Kräfte, die von Subunternehmen beschäftigt werden“, bestätigte der Landkreis Osnabrück, ebenso, dass viele der Betroffenen in Sammelunterkünften in den Landkreisen Osnabrück und Vechta in Niedersachsen sowie in Wesel, Steinfurt und Gütersloh untergebracht sind.

Nach den hohen Infektionszahlen in zahlreichen Betrieben der Fleischindustrie war im Rahmen von Testungen bei Schlachthöfen, Fleischverabreitungsbetrieben und Sammelunterkünften auch eine Aktion im Dissener Unternehmen erfolgt. Der Betrieb in Dissen wurde mittlerweile vorübergehend eingestellt.

18.05.2020, NDR

92 Corona-Fälle in Fleischzerlegebetrieb in Dissen

18.05.2020, HasePost

Massiver Corona-Ausbruch bei Westcrown in Dissen – 92 Infizierte

(Bild: Protest der Initiative Stoppt Westfleisch gegen die Ausbeutung der Werkvertragsarbeiter*innen in der Fleischindustrie in Oer-Erkenschwick am 12.05.2020)

In der Debatte um die Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen und die Arbeitsbedingungen von Werkvertragsarbeiter*innen setzen führende Konzerne und Branchenverbände der Fleischindustrie auf Konfrontation. Nach Hunderten Infizierten Mitarbeiter*innen an mittlerweile 6 Standorten werfen Medien, Initiativen und Gewerkschaften den Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetrieben fehlenden Gesundheitsschutz in der Corona-Krise und unzureichende Arbeits- und Lebensbedingungen der meist ausländischen Beschäftigten mit Werk- und Leihverträgen vor.

Fleischkonzerne wehren sich gegen Schließungen

Die betroffenen Konzerne selbst sehen trotz der heftigen Ausbrüche keine Veranlassung ihre Betriebe zu schließen und wollen trotz des offenbar erhöhten Infektionsrisikos wie gehabt weiter produzieren. Müller Fleisch (300 positiv getestete Beschäftigte) stellte nach dem Bekanntwerden des Ausbruchs die Produktion nicht ein, die Arbeiter*innen hätten allerdings alle Kontakte außerhalb ihres Arbeitsumfeld abzubrechen und dürften auf dem Weg in ihre Unterkünfte keine Umwege machen.

Vion ließ den Betrieb in Bad Bramstedt (130 Infizierte) zwar kurzfristig ruhen, drohte dem Landkreis Steinburg nun aber mit einer Klage, falls der Schlachthof nicht bald wieder öffnen dürfe, schließlich gäbe es negativ getestete Arbeiter*innen, die den Betrieb aufrecht erhalten könnten.

Auch Westfleisch (250 Fälle an zwei Standorten) sah keinen Grund, den besonders betroffenen Schlachthof Coesfeld zu schließen. Es bedurfte erst einer Eilverfügung des Landkreises und der Landesregierung. Westfleisch klagte daraufhin gegen die Verfügung, die mittlerweile vom Verwaltungsgericht Münster bestätigt wurde. Westfleisch sei „zu einer erheblichen epidemiologischen Gefahrenquelle nicht nur für die eigene Belegschaft geworden“, so das Gericht.

Branchenriesen und Verbände sprechen von Generalverdacht

Die Mitgliedsorganisationen des Deutschen Bauernverbands kritisierten die Schließungen unter anderem in Coesfeld. „Für die rund 1.000 Schweinemäster aus Westfalen-Lippe, die das Werk belieferten, sei das Aufrechterhalten des Schlachtbetriebes enorm wichtig“, kommentierte Hubertus Beringmeier, Vorsitzender des Landwirtschaftsverbands Westfalen-Lippe. Das Landvolk Niedersachsen argumentierte mit Blick auf mögliche Tests bei den Saisonkräften, dass diese „eine Scheinsicherheit suggerieren“ könnten und forderte, die Schlachthöfe schnellstmöglich wieder zu öffnen.

Branchenprimus Tönnies kritisierte das Vorgehen der Behörden und die öffentliche Debatte scharf und sprach von einem „Generalverdacht“ gegen die Fleischindustrie. Zur Frage des Infektionsschutzes meinte der Fleischkonzern lapidar, dass wie in Krankenhäusern oder Pflegeheimen „ein Restrisiko“ bleibe.

Ähnlich äußerte sich auch der Verband der deutschen Fleischwirtschaft (VDF): “Als kritische Infrastruktur habe man die Produktion nicht stoppen können und weiter gearbeitet, um die Versorgung mit Nahrungsmitteln sicherzustellen. So könne es zu Ansteckungen kommen.“

Arbeits- und Lebensbedingungen der Werkvertragsarbeiter*innen kein Thema

In Bezug auf die Arbeitsbedingungen nehmen die Unternehmen und Verbände der Fleischindustrie dagegen kaum Stellung. Der Fleischerverband Niedersachen/Bremen der mittelständische Betriebe mahnte zwar „den Missbrauch von Werkverträgen zu unterbinden“, die Geschäftsführerin des VDF, Heike Harstick, sieht dagegen nicht einmal ein Problem in der Behandlung der Werkvertragsarbeiter*innen und stellt fest, dass „nicht vor allem die Arbeitsbedingungen schuld an den Corona-Ausbrüchen“ seien.

Für Stefan Müller, Geschäftsführer von Müller Fleisch, sind die Arbeits- und Lebensbedingungen der prekär Beschäftigten aus dem ost- und südosteuropäischen Ausland ebenfalls kein Thema. Die Verantwortung für Corona-Ausbrüche sieht er bei den Beschäftigten selbst: Die Rumänen seien halt ein geselliges Volk, es werde viel gefeiert.

Weitere Informationen zum Thema auf dem Watchblog Tierindustrie

Quellen und weitere Informationen:

Bild: Protest von Peter Kossen vor Westfleisch-Schlachthof in Coesfeld am 10.05.2020 (Quelle: Bistum Münster)

Mehrere Hundert Beschäftigte mit Werkverträgen, meist rumänische Arbeiter*innen, haben sich in den letzten Wochen mit dem Coronavirus infiziert. Die Fleischindustrie ist zum Hotspot der Coronainfektionen in Deutschland geworden. Völlig zurecht steht das Geschäftsmodell von Unternehmen wie Wiesenhof, Tönnies, Westfleisch, VION oder Müller Fleisch in der Kritik. Denn der Großteil der Beschäftigten ist bei Subunternehmern angestellt. Gezahlt wird ein Mindestlohn für Akkordarbeit bei 12-Stunden-Schichten. Die Vertragsfirmen der Schlachtkonzerne machen sich Grauzonen des Arbeitsrechts zunutze und ziehen den Beschäftigten Pauschalen für Arbeitskleidung oder die Unterbringung in beengten Sammelunterkünften ab. Die großen Fleischkonzerne entledigen sich über das Subunternehmertum ihrer Verantwortung für die miserablen Arbeitsbedingungen der Kolleg*innen und den fehlenden Infektions- und Gesundheitsschutz.

Wir dokumentieren an dieser Stelle ausgewählte Beiträge zur aktuellen Debatte:

Bild: Protest von Peter Kossen vor Westfleisch-Schlachthof in Coesfeld am 10.05.2020 (Quelle: Bistum Münster)

Seit 9:30 Uhr steht Sozialpfarrer Peter Kossen heute in Coesfeld vor den Toren eines großen Schlachtbetriebs von „Westfleisch“, des drittgrößten fleischverarbeitenden Konzerns Deutschlands, um besseren Schutz der Arbeiter*innen vor Corona zu erwirken.

Zum jetzigen Zeitpunkt wurden bei 129 der 1.200 Mitarbeiter*innen Infektionen bestätigt, wie der WDR berichtet. Daraufhin bleibt der Betrieb nun vorübergehend geschlossen und Lockerungen werden aufgeschoben. In Nordrhein-Westfalen ordnete die Landesregierung bereits an, dass alle Schlachthofmitarbeiter*innen auf Corona getestet werden müssen. Eine der Forderungen Herrn Kossens und der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB), Bezirksverband Coesfeld, lautet, verpflichtende Tests auch in Niedersachsen zu veranlassen.

Wir veröffentlichen im Folgenden die Pressemeldung Herrn Kossens und der KAB Coesfeld vom 8. Mai 2020:

Sozialpfarrer fordert: Arbeitsmigrant*innen besser schützen.
Peter Kossen warnt vor massenweiser Infektion unter Arbeitsmigrant*innen

Coesfeld. Mit Bestürzung reagieren Sozialpfarrer Peter Kossen und die Katholische Arbeit-nehmer-Bewegung (KAB) Bezirksverband Coesfeld auf die Cov19-Infektionen in einer Coesfelder Großschlachterei.

Kossen warnt seit Wochen eindringlich vor einer massenweisen Corona-Infizierung von osteuropäischen Arbeitsmigranten in Großbetrieben. Angesichts prekärer Wohnverhältnisse und harten Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie befürchtet er eine Vielzahl schwerer Verläufe der Corona-Erkrankung bei den Arbeitern und Arbeiterinnen in dieser Branche. Totalerschöpfung und mangelnden Arbeitsschutz beklagt der engagierte Pfarrer und KAB-Vorstandsmitglied. „Der Vorfall in Coesfeld wird nur der Anfang sein“, warnt Kossen.

Enge und gesundheitsgefährdende Unterkünfte, in denen mitunter ganze Familien von Ar-beitsmigranten mit ihren Kindern leben, verschärfen die Infektionsgefahr. Landesweit müs-sen, so fordern KAB und Kossen, die Unterkünfte von Saisonarbeitern in der Fleischindustrie und in der Landwirtschaft verstärkt überprüft und konsequent verbessert werden. „Menschenwürdiges Leben und Arbeiten ein Menschenrecht“, betont der katholische Sozialver-band KAB.

Arbeits- und Wohnbedingungen schnell ändern.

Kossen fordert von den Unternehmen und den Behörden schnellstmöglich umfassende und wirksame Maßnahmen zum Schutz der Arbeitsmigranten. „Die Arbeits- und Lebensbedingungen der in der Fleischindustrie-Beschäftigten liefern die Betroffenen und ihre Angehörigen wehrlos einer hochansteckenden und sehr gefährlichen Krankheit aus,“ so Kossen. Es müsse jetzt sehr schnell gehandelt werden. Sonst könne der Fall Coesfeld schnell nur der Anfang einer massiven Infektionswelle für die Arbeiter*innen sein.

08.05.2020, WDR.de
Corona bei Westfleisch: Betrieb in Coesfeld wird geschlossen

Zum Thema berichteten wir bereits am 6. Mai 2020:
Corona nun auch in Westfleisch-Schlachthof

(Bild „Werksgelände des Fleischcenters Coesfeld von Westfleisch“ @ Meatandbeef)

Corona hat auch massive Auswirkungen auf die Tierindustrie. Nach Corona-Fällen in Schlachthöfen von Müller-Fleisch und Vion, gab es nun auch bestätigte Fälle bei einem Schlachthof von Westfleisch. FLEISCHWIRTSCHAFT online meldet:

Auch der Westfleisch-Konzern muss sich mit Erkrankungen von Mitarbeitern durch das Coronavirus auseinandersetzen. […] Die Produktion laufe weiter, man stehe in engem Austausch mit den Gesundheitsbehörden. […] Am Westfleisch-Standort in Coesfeld arbeiten nach Angaben des Unternehmens rund 1.200 Menschen.

05.05.2020, FLEISCHWIRTSCHAFT online:

Coronavirus: Westfleisch kämpft mit Corona

Die großen Konzerne dominieren die Tierproduktion – und bauen ihre Marktmacht weiter aus. So auch bei der Schweineschlachtung: Die „Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands“ (ISN) hat ein Schlachthofranking für das Jahr 2019 veröffentlicht, und demnach haben in Deutschland die 10 Unternehmen mit den meisten geschlachteten Schweinen zusammen einen Marktanteil von über 80 Prozent.

Der größte Player, die Tönnies-Gruppe, kommt alleine bereits auf über 30 Prozent – und hat damit 2019 16,7 Millionen Schweine geschlachtet!

Hier die 10 Unternehmen mit den meisten geschlachteten Schweinen (in Klammer der jeweilige Marktanteil):

1. Tönnies-Gruppe (30,3%)
2. Westfleisch (14%)
3. Vion (13,8%)
4. Danish Crown (6,0%)
5. Müller-Gruppe (3,8%)
6. Böseler Goldschmaus (3,2%)
7. Tummel (2,8%)
8. Willms-Gruppe (2,4%)
9. Simon (2,0%)
10. Manten (1,8%)

24.04.2020, fleischwirtschaft.de:

ISN-Schlachthofranking: Deutschlands größte Schlachter

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themenübersicht

Aktuell – Corona-Ausbrüche in der Fleischindustrie: über Corona-Infektionen in Schlachthöfen und  Fleischfabriken.

Arbeitsrecht: über die Ausbeutung der Arbeiter*innen durch die Tierindustrie.

Tierausbeutung: über die Ausbeutung von Tieren.

Futtermittel: über Futtermittelimporte, Naturzerstörung und Menschenrechts-Verletzungen

Agrarpolitik: über Subventionen, EU-Agrarpolitik uvm.

Lobbyismus: über die Agrarlobby und Einflussnahme der Tierindustrie

Tierindustrie Global: über Entwicklungen aus allen Teilen der Welt.

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